Vogelsbergkreis. Die Seniorenbeauftragte des Vogelsbergkreises, Rosemarie Müller, wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für das Thema “Demenz-Erkrankung”, das im Zeichen wachsender Überalterung der Gesellschaft an Dynamik und Dramatik erkennbar zunehme. Müller hält es für eine “gesamtgesellschaftliche Herausforderung”, diese Erkrankung ernst zu nehmen und mit ihr umzugehen – auch über die rein medizinischen Aspekte hinaus. Zunächst müsse ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen dieser Erkrankung geschaffen werden.
Eine Demenz (lateinisch, von dementia “ohne Geist”) ist ein Defizit in den verhaltenssteuernden, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, die zu einer Beeinträchtigung von sozialen und beruflichen Funktionen führt und fast immer, aber nicht ausschließlich mit einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht (Quelle: Wikipedia). Rosemarie Müller hatte vor Kurzem einen hessenweiten Workshop zu diesem Thema auf Schloss Rauischholzhausen mit Professor Dr. Reimer Gronemeyer besucht. Hier ihr Bericht:
Schon heute seien mehr als eine Million Bundesbürger an Demenz erkrankt, so Müller. Schätzungen zufolge werde sich diese Zahl in zehn Jahren bereits verdoppelt haben. “Viele ältere Menschen haben Angst vor Demenz, verbinden ein Leben mit Demenz mit dem Verlust ihrer Würde, widerspricht es doch in vielerlei Hinsicht den Vorstellungen eines autonomen, vernunftgesteuerten und gesunden Lebens”, unterstreicht Rosemarie Müller. Vor dem Hintergrund labiler Familienverhältnisse, schwindender Nachbarschaftshilfen und überlasteter Gesundheitsetats könne “Demenz” auch zu einem sozialen Brennpunktthema werden. Das werde in der Öffentlichkeit bisher noch nicht deutlich genug wahrgenommen. Die Entwicklung spitze sich indessen zu, weil eine wachsende Zahl von Hochaltrigen allein lebe.
Wie kann eine Kultur des respektvollen Umgangs und der Begegnung mit Menschen mit Demenz entstehen? Wissenschaftler und Praktiker tauschten hierzu auf dem Workshop ihre Gedanken aus.
“Demenz geht alle an, denn Menschen mit Demenz sind Nachbarn und Mitbürger. Deshalb brauchen wir in den Kommunen Bündnisse für Menschen mit Demenz”. schlussfolgert Frau Müller. In jeder Gemeinde müsse das Thema offen und breit angesprochen werden. Es gehe um die “Schaffung einer Begegnungskultur und um das Knüpfen sozialer Netze der Freundschaft”, so Prof. Dr. Reimer Gronemeyer. Ziele seien Verständnis, Einfühlung und Solidarität.
Aus Sicht von Rosemarie Müller kommt den Seniorenbeiräten in den Kommunen eine wichtige Rolle in der Vernetzungsarbeit zu. So sieht es auch Ursula Pohl, die stellvertretende Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Hessen. “Die kennen die Lebensumstände der älteren Mitbürger am besten.” Barrierefreiheit erweise sich dabei als Kernziel in der praktischen Arbeit.
Am wichtigsten sei jedoch, so die Seniorenbeauftragte, die frühzeitige Feststellung der Krankheit. Der Betroffene gewinne wertvolle Zeit, in denen er noch viele Dinge selbst regeln und länger selbstständig am Alltag teilnehmen kann. Dadurch würden auch die Angehörigen erheblich entlastet. Heimeinweisungen können hinausgezögert und manchmal sogar ganz vermieden werden. Auch soziale Kontakte könnten hierbei gestärkt und erhalten werden.
“Wir stehen erst am Anfang eines langen Prozesses, so Müller. Aber ganz gleich, ob Menschen mit Demenz alleine oder bei Ihren Angehörigen, mit Freunden oder in einem Heim leben: Sie sollten als Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns nicht vergessen werden – auch wenn sie vergesslich geworden sind!”
Das Foto zeigt Professor Dr. Reimer Gronemeyer bei seinem Vortrag auf Schloss Rauischholzhausen. Foto: Müller