Fulda (bpf). Mit Gottesdiensten und Prozessionen feierten die Katholiken am Donnerstag das Fronleichnamsfest. Eine der größten Fronleichnamsprozessionen in Hessen fand in Fulda statt, wo das Fest seit über 700 Jahren begangen wird. Rund 3.000 Gläubige zogen hier nach einem Gottesdienst im Hohen Dom unter teils wolkenverhangenem, teil sonnigem Himmel durch die mit frischem Birkengrün, Blumenteppichen und gelb-weißen Fahnen geschmückte Innenstadt. „Ohne Eucharistie gibt es keine Kirche. Ohne Kirche kann es keine Eucharistie geben. Kirchliche Gemeinschaft und eucharistische Gemeinschaft gehören untrennbar zusammen“, unterstrich Bischof Heinz Josef Algermissen in seiner Predigt in dem feierlichen Pontifikalamt. Im Wechsel mit Bischof Algermissen trugen bei der Prozession Weihbischof Dr. Karlheinz Diez und Generalvikar Dr. Gerhard Stanke das Allerheiligste.
Das „innerste Wesen der Kirche“ offenbare sich am Fronleichnamstag: Sie sei nicht eine von Menschen gegründete Organisation, sondern vielmehr „ein von Gott her durch Jesus Christus eröffneter Lebensraum“, in den man durch Glaube und Taufe hineingerufen werde. Die volle Teilhabe an der Eucharistie setze dabei die sakramentale Gemeinschaft der Kirche voraus. „Für das Verständnis der katholischen Position in der Frage der Zulassung von nicht katholischen Christen zum Empfang der Eucharistie ist die bis heute festgehaltene Grundüberzeugung der Kirche entscheidend, dass Kommuniongemeinschaft und Kirchengemeinschaft wesentlich zusammengehören.“
An dieser Überzeugung hätten auch die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bis vor wenigen Jahrzehnten festgehalten. Erst die sogenannte Leuenberger Konkordie von 1973 habe eine Öffnung der reformatorischen Kirchen für die Abendmahlsgemeinschaft untereinander gebracht, erinnerte der Oberhirte. Bis dahin habe es beispielsweise keine Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten gegeben. Die katholische Kirche respektiere diese Entscheidung der reformatorischen Kirchen, müsse aber gleichzeitig feststellen, dass damit ein theologischer Grundkonsens, der noch heute von der überwiegenden Mehrheit der Gesamtchristenheit, vor allem den orientalischen und orthodoxen Kirchen, getragen werde, aufgegeben worden sei.
Die katholische Kirche feiere Fronleichnam unter den Blicken der Öffentlichkeit, weil sie zeigen wolle, woraus sie lebe und was sie zu vermitteln habe, hatte Algermissen zu Beginn seiner Predigt betont. „Das Fest erwuchs im 13./14. Jahrhundert aus der Vorstellung, dass die Fülle dessen, was uns im Vermächtnis Jesu geschenkt wurde, am Gründonnerstag allein gar nicht voll zum Ausdruck kommen konnte.“ Fronleichnam sei also ein Ergänzungsfest zu Gründonnerstag und damit wesentlich auf die Hl. Eucharistie bezogen. In der Feier der Eucharistie begegneten die Gläubigen dem auferstandenen und in der Kraft des Geistes gegenwärtigen Christus selbst. „Christus ist der eigentliche Vorsteher der Eucharistiefeier“. Die Kirche sei deshalb im Wesenskern Eucharistie, und von ihr her werde sie immer wieder neu aufgebaut, fuhr der Bischof fort. Denn die Einheit der vielen Glaubenden in der Gemeinschaft der Kirche komme von dem einen eucharistischen Brot und damit von dem einen Christus her. „Christus schenkt uns seinen Leib, damit wir selbst zum Leib Christi werden.“ Diesen Lebenszusammenhang zwischen Eucharistie und Kirche habe der hl. Augustinus auf eine kurze, prägnante Formel gebracht: „Wenn ihr selbst also Leib Christi und seine Glieder seid, dann liegt auf dem eucharistischen Tisch euer eigenes Geheimnis… Ihr sollt sein, was ihr seht, und sollt empfangen, was ihr seid.“ In der Eucharistie gingen die Gläubigen in das über, was sie empfingen. „Wir empfangen den Leib Christi, um immer deutlicher und glaubwürdiger den Leib Christi in dieser Welt darzustellen und zu bilden.“
Die Eucharistie wirke deshalb über den Abschluss der liturgischen Feier hinaus, so Algermissen. In der Leibhaftigkeit, die Christi Gegenwart in den eucharistischen Gaben angenommen habe, werde die Kirche von Christus auch weiterhin begleitet. Er gehe sozusagen mit der Kirche auf ihrem Weg in den Alltag, wie es bei der Prozession durch die Straßen der Stadt zeichenhaft dargestellt werde. „Für katholische Christen hört das Kirche-Sein beim Verlassen des Kirchengebäudes nicht auf. Wenn wir teilnehmen dürfen an der sakramentalen Feier der Selbsthingabe Jesu Christi für uns Menschen, dann sind wir auch gesandt, uns als lebendige Hostien im Alltag unseres Lebens den Menschen zur Verfügung zu stellen.“ Der Gottesdienst solle hinauswirken in die Welt, und er wolle vor allem die alltäglichen Beziehungen der Christen verwandeln. Papst Johannes Paul II. erblickte sogar einen Lebenszusammenhang zwischen der Feier der Eucharistie und der öffentlichen Verantwortung, wenn er betone: „Wir alle, die an der Hl. Eucharistie teilnehmen, sind dazu aufgerufen, durch dieses Sakrament den tieferen Sinn unseres Handelns in der Welt für Entwicklung und Frieden zu entdecken.“
„Das katholische Verständnis sieht in der Feier der Eucharistie und der in ihr dargereichten und empfangenen eucharistischen Gabe eine Wirklichkeit, die nicht nur persönlich ‚die Seele mit Gnade erfüllt’, sondern die Kirche konstituiert“, hob Bischof Algermissen hervor. Darin schließe es sich an Paulus an, der im Brechen des einen Brotes und im Teilen des einen Kelches den Leib Christi, also die Kirche dargestellt wisse. Die grundlegende Aussage dazu finde sich im 1. Korintherbrief: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es, darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“.
Die tiefe Sicht des unlösbaren Zusammenhangs zwischen kirchlicher Gemeinschaft und eucharistischer Gemeinschaft sei in der Vätertheologie und in der nachfolgenden Tradition festgehalten, sagte der Bischof mit Nachdruck. So könne Thomas von Aquin sagen: „Ecclesia subsistit in Eucharistia“, was frei übersetzt so viel heiße wie: „In der Feier der Eucharistie verwirklicht sich Kirche in dichtester Weise.“ Katholisches Denken könne sich Kirche nie ohne den erhöhten Christus vorstellen. Natürlich blieben Christus und die Kirche geschieden, aber sie seien nicht so zu trennen, als ob die Kirche ohne ihr Haupt bestehen könnte. Die Kirche lebe aus der bleibenden Gegenwart des erhöhten Christus, der sich in der eucharistischen Gabe aus den an ihn Glaubenden ständig neu seine Kirche, seinen „Leib“, schaffe. „Aus dieser sakramentalen Christusgemeinschaft erwächst also, wie Paulus sagt, die Gemeinschaft der daran Teilhabenden.“
„Nach katholischem Verständnis ist die Feier der Eucharistie Darstellung des Wesens der Kirche“, rief Algermissen in Erinnerung. Christus schaffe sich in diesem heiligen Zeichen seine Kirche immer wieder neu. Er sammle sie in allen Generationen gleichsam „hinter“ sich, um alle zum Vater zu führen. Wo Getaufte und an Christus Glaubende, um den Bischof oder den Priester geschart, Eucharistie feierten, da sei Kirche, und wo Kirche sei, da werde Eucharistie gefeiert, schloss Algermissen.
Der Fuldaer Domchor unter Leitung von Franz-Peter Huber sang in dem Gottesdienst Teile aus der „Missa Dominicalis“ von W. Menschick sowie Chorsätze von C. Franck und C. Saint-Saëns und weitere Choräle im Wechsel mit der Gemeinde. Die Orgel spielte Domorganist Prof. Hans-Jürgen Kaiser. An den Altären wirkte neben einer Bläsergruppe auch der Domchor mit.