Vollmerz/Marburg. Am Ende eines für die Mitarbeiter des Vollmerzer Hilfswerkes “Das kunterbunte Kinderzelt” arbeitsreichen Jahres die schönste Nachricht: das aktuelle Sorgenkind Maria schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Der Gesundheitszustand des siebenjährigen Roma-Mädchens, das der Verein “Das kunterbunte Kinderzelt” in einer Spontanaktion nach Deutschland geflogen hat, hat sich stabilisiert. Seine Situation war sehr ernst, und so durchliefen auch die Kinterzelt-Verantwortlichen ein ständiges Wechselbad der Gefühle. Dem bedingungslosen Helfen stand die ungewisse Entwicklung gegenüber, was ist, wenn es schief geht.
Die Leidensgeschichte: Am 25. Oktober 2011 wurde Maria in die Ambulanz des Kreiskrankenhauses in Gheorgheni/Rumänien eingeliefert und von dort fünf Tage später wegen eines akuten Darmverschlusses, der zwar diagnostiziert, aber nicht behandelt worden war, in die Notfallklinik von Targu Mures verlegt. Nach mehreren Notoperationen war ihr Zustand äußerst schlecht. Außerdem wurden noch einige Infektionen im Bauchraum sowie mehrere Abszesse in Darm, Niere und Lunge festgestellt. Ihre Situation verschlechterte sich zusehends, und sie verlor immer mehr an Gewicht, bis sie nur noch zwölf Kilogramm wog. Nach einem nächtlichen Herz- und Atemstillstand gab es praktisch eine Telefonstandleitung zwischen den Kinderzelt- vor-Ort-Mitarbeitern in Balan und dem Vereinsvorsitzenden in Vollmerz, Bernd Druschel. Maria muss geholfen werden, sonst stirbt sie, diese Aufgabe stellte sich der Sorgenkind erfahrene Verein.
Die rumänischen Krankenhäuser entsprechen nicht westlichen Standard und nachdem die Infektionen auf die Lunge übergegriffen hatten, konnten die Ärzte ihr nicht mehr helfen – also keine Überlebenschance für Maria. Wie bereits in 2009, als der damals 2-jährige Roland in seiner akuten Notsituation nach Deutschland ausgeflogen und so sein Leben gerettet wurde, entschieden sich die Kinderzeltler, auch die kleine Maria schnellstmöglich mit einem Ambulanzflug nach Deutschland zu holen.
Die Transportfähigkeit der Patientin war eine Voraussetzung, und die Beschaffung von Ausweisen und Genehmigungen bei Behörden ein großes Problem. Mit welchen Kosten zu rechnen sei, stand erst am Ende der Überlegungen. Die Experten vom Malteser Rückholdienst flogen dann Maria von Cluj-Napoca nach Siegerland, von wo sie gleich in das Universitätsklinikum Marburg gebracht wurde. Ohne Komplikationen war natürlich die ganze Aktion nicht, denn aufgrund dichten Nebels und einem fehlenden Radarsystem in Targu Mures konnte das Flugzeug nicht landen und wurde zum nächst größeren Flughafen umgeleitet – und für die schwerkranke Maria musste kurzfristig ein 2,5 Stunden Transport dorthin organisiert werden. Maria wurde in Marbug stabilisiert und durch eine bessere Ernährung gewann sie wieder an Kraft. Die Diagnostik durch ein interdisziplinäres Ärzteteam lief auf Hochtouren und nach wenigen Tagen konnte die dringend nötige erste Operation durchgeführt werden.
Am 7. Dezember wurde Maria während einer 9-stündigen Operation zunächst an der Lunge operiert, da die Lungeninfektion für sie die größte Lebensbedrohung darstellte. Nach diesem schweren Eingriff lag Maria künstlich beatmet im Koma. “Wir konnten nur beten und abwarten, ob ihr kleiner Körper die Kraft finden würde, sich zu erholen, und ob keine weiteren Komplikationen auftreten würden,” berichtet Bernd Druschel. “Nach zwei Tagen erhielten wir die gute Nachricht, dass die operierte Lungenhälfte wieder eigenständig arbeitet, Maria selbst atmen konnte und wach war.” Bei der Kämpfernatur Maria war zumindest die Folgeinfektion in der Lunge erfolgreich behandelt, das ursprüngliche Problem im Darm bestand jedoch nach wie vor.
Zwei Wochen konnte sie sich auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Marburg, Klinik für Kinderchirurgie, unter der Pflege des Teams, das unter der Leitung von Dr. Andreas Leonhardt steht, erholen, dann wurde sie am 21. Dezember erneut operiert. Fünf Stunden arbeitete das Ärzte-Team unter Leitung des Direktors der Klinik für Kinderchirurgie, Dr. Dario Zovko, am Darmverschluss. Der erfahrene Chirurg hat zwar schon sehr viele Operationen durchgeführt, doch nach eigener Aussage sei diese auch für ihn eine besondere Herausforderung gewesen, und er sei auch emotional mit seinem “ganzen Herzen” dabei gewesen. Mittlerweile liegt Maria wieder auf der Kinderstation und sie befindet sich nicht mehr in Lebensgefahr. “Uns allen ist damit ein riesiger Stein vom Herzen gefallen.
Wochenlang mussten wir bangen, jetzt können wir feiern. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk hätte es für Maria und ihre Familie und natürlich auch für uns nicht geben können,” so Bernd Druschel. Der 8. Geburtstag im kommenden Januar wird auch ein besonderer. Mehr noch: es besteht sogar Hoffnung, dass sie ohne bleibende Schäden wird leben können. Die weitere Behandlung erfordert noch einige Zeit, und es folgt dann eine Verlegung in eine Fachklinik für Rehabilitation, wo sich Maria über einen längeren Zeitraum erholen kann, wo ihr Allgemeinzustand stabilisiert wird und sie zur Ruhe kommen kann. “Wir sind zuversichtlich, dass sie das schafft.”
Die enorme Anteilnahme und Spendenbereitschaft stimmt die Kinderzelt-Verantwortlichen ebenfalls glücklich. Rund 27.000 Euro sind bislang zusammengekommen, so dass die “vorgestreckten” Kosten für den Ambulanzflug ausgeglichen, und die Versorgung des mitgereisten Vaters im Krankenhaus und des zurückgebliebenen Teils der Familie in Rumänien sichergestellt werden können. Klar ist, dass die kleine Maria nach überstandener Behandlung nicht mehr in die Slums der Romasiedlung in Rumänien zurückkehren kann. “Wir haben diese Aktion nicht in die Wege geleitet, damit sie nach erfolgreicher Behandlung in Deutschland in einem halben Jahr an Tuberkulose stirbt. Die hygienischen Umstände in Rumänien lassen eine nachhaltige Genesung schlichtweg nicht zu, insbesondere da sie voraussichtlich eine Zeitlang noch mit einem künstlichen Darmausgang leben muss. Daher gilt es bei uns, Strategien für die Zukunft von Maria und ihrer Familie zu entwickeln. Sie werden ein neues, besseres Zuhause brauchen,” sagt Druschel.
Ein riesengroßes Dankeschön gilt allen Spendern, die diese Aktion möglich gemacht haben, den Mitarbeitern des Malteser Rückholdienstes, sowie dem Team des Marburger Universitätsklinikums, inbesondere den Ärzten Dr. Zovko und Dr. Leonhard, sowie den Pflegern und Schwestern der Intensiv- und Kinderstation, die sich so liebevoll um Maria kümmern. Infos im Internet unter: www.daskunterbuntekinderzelt.de oder www.rette-ein-leben.de