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“Wächter der Stadt” vor dem Stadtwächter – Die GRÜNEN gründen Stadtverband

Fulda. König Fußball bescherte Fulda am gestrigen Mittwochabend inmitten des Barockviertels eine Gründungsversammlung unter freiem Himmel. Die Übertragung des Fußballfreundschaftsspiels Deutschland – Brasilien aus Stuttgart in den eigentlich für die Fuldaer GRÜNEN reservierten Nebenraum im Stadtwächter beirrte die GRÜNEN in ihrem Vorhaben, in Fulda nun auch offiziell einen Stadtverband zu gründen, nicht. Sie disponierten leicht um und verlegten die Versammlung einfach an die frische Luft in den Außenbereich des Lokals. Der Himmel hatte ein Einsehen und verschonte die Partei gänzlich vor Regengüssen, Kälteeinbrüchen und stürmischen Winden. Mit den unausweichlichen Folgen der Erdrotation wurde sich arrangiert und nach Sonnenuntergang bei Kerzenlicht diskutiert, beraten und abgestimmt.

Weniger als Chef der GRÜNEN Stadtfraktion sondern mehr als einer der Gründungsväter des Fuldaer GRÜNEN-Kreisverbandes eröffnete Ernst Sporer (61) die Sitzung. Als „Beweis“ zeigte er seinen 30 Jahre alten reichlich zerfledderten Parteiausweis vor. Er ging kurz auf die Entwicklung der Fuldaer GRÜNEN ein. Seit 1985 sind sie im Stadtparlament vertreten, anfangs mit drei, seit den Kommunalwahlen im März d. J. mit zehn Stadtverordneten und 2 Stadträtinnen.

Sporer betonte: „Die Kommunalwahl verdeutlichte einmal mehr, dass wir eine städtische Partei sind. In den Innenstadtbezirken stehen wir auf Augenhöhe mit der CDU, in einigen davon haben wir die Mehrheitsfraktion sogar überflügelt.“ Der gewählte Tagungsort vor dem Stadtwächter sei mehr als passend: „Die ‚Wächter der Stadt’ vor dem Stadtwächter“, bemerkte Ernst Sporer augenzwinkernd. Er freute sich, „unsere Landtagsabgeordnete und Landesvorsitzende Kordula Schulz-Asche“ (54) begrüßen zu dürfen, die es sich nehmen ließ, die Fuldaer Parteifreundinnen persönlich zu unterstützen. „Seit der Kommunalwahl können wir allerorts einen hohen Mitgliederzuwachs verzeichnen.

Da die „alten“ Mitglieder zum größten Teil ein Mandat innehaben, stehen die Neuen anfangs oft außen vor. Es darf nicht vernachlässigt werden, sie in die Parteistrukturen zu integrieren.“ Die hessische GRÜNEN-Landesvorsitzende Schulz-Asche betonte auch, dass „unser tolles Kommunalwahlergebnis uns auch den Auftrag erteilt, nachhaltige Konzepte für viele verschiedene Politikfelder zu erarbeiten und realistisch umsetzbare Lösungen zu finden – auch wenn diese schmerzhafte Folgen mit sich bringen.“ Nur auf die aktuelle Tagespolitik zu reagieren sei nicht genug für eine Partei, die von einem Großteil der Bevölkerung als potentielle Regierungspartei wahrgenommen wird bzw. mancherorts bereits in die Verantwortung gewählt wurde.

Auch der Sprecher des Fuldaer GRÜNEN Kreisverbandes und Landratskandidat Helmut Schönberger (61) fand mitten im Wahlkampf die Zeit, „diesem historischen Ereignis“ beizuwohnen. Er freute sich, dass der Kreisverband durch den Stadtverband verstärkt wird und bat um Unterstützung dafür, „dass wir auch am 4. September ein tolles Ergebnis einfahren.“

Diskutiert wurde dann der von Ralf Zwengel (50) erarbeitete Satzungsentwurf. Einvernehmlich wurden einige Passagen rausgestrichen. Diese waren entbehrlich, weil sie schon in der übergeordneten Kreisverbandssatzung zum Tragen kommen. Diskutiert wurde unerwartet, ob der Terminus „Barockstadt“ in die Satzung übernommen werden sollte. Die Barockstadt gewann die „Kampfabstimmung“. Eine längere Diskussion entbrannte auch darüber, ob das Frauenstatut (alle Gremien der GRÜNEN müssen mindestes zur Hälfte mit Frauen besetzt sein) extra aufgeführt werden muss, da es durch die übergeordneten Satzungen sowieso gilt.

Die Mehrheit folgte der Argumentation von Kordula Schulz-Asche, die betonte, wie wichtig dieses GRÜNE Gebot ist – für die innerparteilichen Strukturen „wir wissen alle, dass Gremien, in der Frauen und Männer gemeinsam arbeiten, die erfolgreichsten sind“, aber auch für die Wirkung nach außen. „Unser Frauenstatut ist einmalig, befördert die Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit besonders auf Führungsebene.“ Als die Satzung endlich verabschiedet werden konnte, glitzerte bereits der Sternenhimmel.

Mit „zu viele Kandidaten zu wenige Kandidatinnen“ könnte die Wahl des Vorstandes übertitelt werden. Schulz-Asche und Schönberger übernahmen das Amt des Wahlvorstandes – keine einfache Aufgabe, bei Sternenlicht und flackerndem Kerzenschein Stimmzettel auszuwerten. Ein Mini-LED-Lampen-Schlüsselanhänger trug wesentlich zur korrekten Auszählung bei. Die Wahl der Vorstandssprecherin wurde auf den 1.9.2011 (Donnerstag, 20 Uhr, Stadtwächter) vertagt, da keine anwesende Frau diesbezügliche Ambitionen zeigte – bis auf Pia Groß. Frau Groß (46) ist jedoch gar kein Mitglied. Bei den GRÜNEN ist es zwar gang und gäbe, dass sich auch Menschen an Diskussionen beteiligen, die der Partei gar nicht angehören, „doch auch einer GRÜNEN Parteigliederung kann man nicht vorstehen, wenn man dieser gar nicht angehört“, erklärte ihr Stadtverordnete Ute Riebold (52) einigermaßen geduldig.

Peter Wulf (44, Arzt) und Michael Schwarz (33, Veranstaltungskaufmann) traten zur Wahl des Vorstandssprecher an. Wulf nannte das Thema Gesundheit als seinen persönlichen Schwerpunkt. Aktuell sei derzeit der Erhalt der Versorgungsstrukturen, in der Diskussion. Michael Schwarz ist schon einige Jahre bei den GRÜNEN. Erste politische Erfahrungen sammelte er bei der GRÜNEN Jugend und während seines Studiums in verschiedenen Gremien der Hochschule Fulda. Gewählt wurden letztlich beide, Wulf als Sprecher, Schwarz als Schatzmeister.

Schriftführerin wurde Kreisgeschäftsführerin und Kreistagsabgeordnete Alja Epp-Naliwaiko (65). Beate Tillmann-Mohr (53, Lehrerin) war lange Jahre Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Fuldaer Stadtparlament. Sie wurde zur Beisitzerin gewählt. Frank Dölker (48, Dozent) wurde ebenfalls Beisitzer. Durch seine langjährige Erfahrung als Streetworker erschließt sich ihm die Stadt Fulda aus einer für Politiker eher ungewöhnlichen Perspektive. Mit „geschafft“ übergab Ernst Sporer die Sitzungsleitung an den neue Sprecher Peter Wulf, der die Gründungsversammlung schloss.

Am Ende hieß es: „3:2 für Deutschland!“.

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