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Bürgerinitiative: “Straßenplanung L3379 ist verfassungswidrig”

Petersberg. In der vergangenen Woche ist die Einwendungsfrist für die erneute Offenlegung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans für die sogenannte Entlastungsstraße Petersberg abgelaufen. Wie die Bürgerinitiative (BI) „Rettet die Rhön!  Alternativen zur B87n“ e.V. in einer Pressemitteilung schreibt, hat sie in ihrer Einwendung darauf hingewiesen, dass die Planungen zum Neubau der L3379 von Horwieden nach Petersberg verfassungswidrig seien. Bereits vor dem Beschluss der Gemeindevertretung Petersberg für den Neubau dieser Straße hatten Mitglieder der Bürgerinitiative im Dezember 2008 gegen die Planungen protestiert. Sie sei ein Winkelzug, um die umstrittene B87n schrittweise zu realisieren, meint die BI. Denn laut Planungsunterlagen der Voruntersuchung vom April 2007 soll sie später ein Bestandteil der B87n werden. „Die Tarnung der geplanten B87n in diesem westlichsten Planungsabschnitt als Landesstraße in kommunalem Interesse ist nur für einen kleinen Personenkreis durchschaubar und widerspricht den Anforderungen der Klarheit und Offenheit bei öffentlichen Planungen und Handlungen“, kritisiert die BI in ihrer eingereichten Einwendung.

Die Bürgerinitiative bezweifelt die „eigenständige verkehrliche Wirkung“ der geplanten „L3379“, weil diese die Gemeinde Petersberg von einem Verkehr entlasten solle, den es (ohne die B87n) gar nicht gibt. Sie soll laut 2. Entwurf des Bebauungsplans „eine sicherere und flüssigere  Verkehrsabwicklung insbesondere als Zubringer des Schwerlastverkehrs aus der nordöstlichen Rhön zur BAB 7 (Anschluss Fulda-Mitte) gewährleisten.“ „Der befürchtete – oder erhoffte – Verkehr aus der thüringischen Rhön wäre mit dem Bau der „L3379“ und ihrer Fortsetzung B87n erst möglich. Aus diesem Gedankenkreislauf eine Notwendigkeit zum Schutz der Gemeinde Petersberg abzuleiten, ist absurd“, erläutert der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Reinhardt Kremer.

Da für die B87n noch an keiner Stelle Baurecht besteht, werde mit dem Bau der „L3379“ eine Maßnahme geschaffen, um den Verkehr durch die Rhön von der Bundesstraße 458 wegzuleiten und damit die behauptete Dringlichkeit der B87n höher erscheinen zu lassen. Zweck sei wohl, den Widerstand gegen diese neue Bundesstraße durch die erhöhte Verkehrsbelastung der Anwohner zu schwächen. Dieses und weitere Argumente nennt die Bürgerinitiative, vertreten durch Reinhardt Kremer (Kleinsassen) und Michael-Serge Schindler (Oberweid) in ihrer Einwendung, in der sie sich außerdem den Einwänden der Naturschutzverbände, Grundeigentümer und sonstigen Betroffenen anschließt. Die komplette Einwendung kann im Internet unter www.fulda-meiningen.de nachgelesen werden.

Hauptsächlich stützt sich der Verein „Rettet die Rhön! Alternativen zur B87n“ in seiner Einwendung auf die Verfassungswidrigkeit der Planungen. Er bezieht sich dabei auf den Artikel 104 a im Grundgesetz, der besagt, dass die Finanzierungszuständigkeiten des Bundes und der Länder  auseinandergehalten werden müssen. Die BI beruft sich auf ein finanzverfassungsrechtliches Gutachten, das wegen einer analogen Problematik von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Meyer (Berlin) erstellt worden ist. Im Falle der „L3379“ wollen die Gemeinden Petersberg und Künzell und das Land Hessen den Bund durch die Planung, die Vorfinanzierung und die Vorabfestlegung des Straßenverlaufs an den „goldenen Zügel“ nehmen und in diesem Bereich vollendete Tatsachen schaffen. Dabei sei nicht relevant, unter welchen Konditionen das Land Hessen diese Straße später dem Bund übergeben will. „Mit diesem Argument ziehen wir notfalls auch vor das Verfassungsgericht“, sagt Kremer entschlossen. Einen gemeinsamen Prozesskostenfonds mit den Naturschutzverbänden hat die Bürgerinitiative für diesen Fall bereits eingerichtet.

Informationen zur Bürgerinitiative:

Die Landesregierungen von Hessen und Thüringen planen, eine leistungsstarke Bundesfernstraße mitten durch das Biosphärenreservat Rhön zu bauen. Ziel des – nach neuesten offiziellen Zahlen – 240 Millionen Euro teuren Straßenbauprojektes ist es, die Autobahnen A71 und A7/A66 beiderseits der Rhön miteinander zu verbinden. Es sollen zukünftig bis zu 20.000 Fahrzeuge – vorwiegend überregionaler Fern- und Schwerverkehr – durch die Rhön rollen. Deren Lärm und Luftverschmutzung reist gratis mit durch die Rhön.

Allein für den mittleren Planungsabschnitt „Rhönquerung“ sind mehr als 1,7 Millionen m³ Erdbewegungen notwendig. Es ist der Bau von 80 Brücken sowie zahllosen Dämmen, Bergeinschnitten und einem Tunnel von 2,15 Kilometern Länge geplant. In dem fast unberührten Landschaftsbild der Rhön bedeutet dies nicht nur eine ungeheure Landschaftszerstörung, sondern auch die Zerstörung einmaliger artenreicher Lebensräume. Die Trasse raubt den Rhönern nicht nur Lebensqualität, sondern auch Zukunftschancen. In der Bürgerinitiative gegen den Bau der B87n haben sich Menschen zusammengeschlossen, deren Lebensumfeld durch die Trasse gefährdet wird und die nicht hinnehmen wollen, dass die Rhön durch den drohenden Transitverkehr zerstört wird.

Die Zielsetzung der Initiative ist es daher, Fakten über die Planungen zusammenzutragen, die Öffentlichkeit über die Konsequenzen  aufzuklären, einen breiten Protest gegen die Planungen aufzubauen und die Politik gemeinschaftlich zum Stopp der Planungen aufzurufen. Der Widerstand soll sich formieren, bevor (anders als beim aktuellen Großprojekt Stuttgart 21) die ersten Baumaßnahmen den Menschen die Dimension der Planungen  vor Augen führen.

Als Alternative zum Bau der geplanten Trasse sieht die Initiative ein die Fläche in der Breite erschließendes Gesamtkonzept für die Verkehre in der Rhön, das nicht einseitig auf Bündelungseffekte setzt und eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs einbezieht.  Um eine Verkehrsberuhigung stark belasteter Ortschaften zu erzielen, wäre der Bau einzelner Ortsumgehungen im Rahmen der vorhandenen Landesstraßen ausreichend. Diese würden den aktuellen Verkehr aus den Gemeinden nehmen, ohne zusätzlichen Transit- und Schwerlastverkehr in das Naturparadies Rhön zu bringen.

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