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„Blutauffrischung“ und Erweiterung des Lebensraums soll Birkwildbestand stabilisieren

Rhön/Hünfeld. Ein weltweit einzigartiges Projekt soll einen entscheidenden Beitrag zur Rettung des Birkwildes im Naturschutzgebiet Lange Rhön leisten: Neun Hähne und zwei Hennen aus Schweden wurden dort im Frühjahr ausgesetzt, um den aktuellen Bestand von 20 Tieren zu vergrößern. Um die Gäste aus Europas Norden hierher zu holen, waren Ewald Sauer und Georg Sauer vom Birkwildhegering Hessische Rhön (BHR) gemeinsam mit Andreas Carl und Torsten Kirchner von der bayerischen Wildlandstiftung eigens nach Schweden gereist. Finanziert wurde das Projekt durch diese beiden Verbände und das Biosphärenreservat Rhön. Ziel ist es, den Bestand zu stabilisieren beziehungsweise zu erhöhen, wozu in den kommenden vier Jahren nicht nur weitere schwedische Hühner und Hähne beitragen sollen, sondern auch eine erhebliche Erweiterung des Lebensraums insbesondere in der Gegend um das Rote Moor, Wüstensachsen und den Stirnberg. Matthias Müller, Vorsitzender des Birkwildhegerings Hessische Rhön, lobt aber auch die Verantwortlichen in Schweden, „welche die Tiere kostenlos zur Auswilderung bereitgestellt haben“.

Hintergrund des „Schwedenimports“ ist unter anderem eine Studie von Professor Dr. Ilse Storch (Uni Freiburg), die festgestellt hatte, „dass der wirklich nutzbare Lebensraum für das Birkwild merklich erweitert werden muss“. Und zwar von derzeit nur etwa 1.000 Hektar auf mindestens 5.000 Hektar. Weiter hatte Professor Storch eben jene  „Blutauffrischung“ durch ausgewilderte Birkhühner und Birkhähne empfohlen, um die seit vielen Jahren bestehende Isolation des Rhöner Birkwilds zu beenden. Dem BHR-Vorsitzenden Matthias Müller zufolge hatte man in den 1960er Jahren noch zwischen 250 und 300 Birkhähne registrieren können. Doch durch Aufforstung und Intensivierung der Landwirtschaft sei viel von deren wertvollen Lebensraum verloren gegangen.

Die Sicherung des Birkwildbestandes und anderer Bodenbrüter sowie der Erhalt ihres Lebensraums hatten sich Jäger, Naturschützer, Vertreter von Hessenforst und von der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön  bereits während der Gründungsversammlung des Birkwildhegerings Hessische Rhön im Mai 2002 zum Ziel gesetzt. Zum Vorsitzenden war der Leiter der Hegemeinschaft „Hohe Rhön“, Werner Weber aus Lütter, gewählt worden. Als seine Stellvertreter fungierten der Leiter des Forstamts Hilders, Forstoberrat Adalbert Fischer, sowie das Vorstandsmitglied des Landesjagdverbandes Hessen, Günter Dienst.

Die „großen Aufgaben im Artenschutz“ sind in der Folgezeit nicht geringer geworden – auch vor dem Hintergrund, dass große Teile der Rhön als Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen wurden. Das sieht auch der selbstständige Garten- und Landschaftsgestalter Matthias Müller aus dem Hünfelder Stadtteil Roßbach so, der im Frühjahr 2009 zum neuen Vorsitzenden des Birkwildhegerings Hessische Rhön gewählt wurde, dem rund 60 Mitglieder angehören.

Der 46-Jährige, der auch Vorsitzender der Ortsgruppe Hünfeld im Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und des Naturschutzbeirates im Landkreises Fulda ist, formuliert „die besondere Verantwortung, die wir für die seltenen Bodenbrüter tragen, insbesondere für die Hauptleitart der Rhön, das Birkhuhn“. Nur ein Bestand von mehr als 50 Tieren werde dauerhaft überlebensfähig sein. Aber nicht nur das Birkhuhn stehe auf der Liste der bedrohten Arten. Wiesenpieper, Wiesenralle, Steinschmätzer, Kiebitz und Rebhuhn seien selten gewordene Bodenbrüter und sollten in ihrem Bestand geschützt werden. Um dies zu erreichen, sei neben einer sinnvollen Schaffung und Gestaltung von Biotopverbünden und einer „im ökologischen Sinne genutzten Landwirtschaft“ auch eine Regulierung der so genannten Fressfeinde wie Fuchs, Marder, Rabenvögel und Wildschweine nötig.

Zugleich erachtet Müller auch eine Intensivierung der länderübergreifenden Arbeit mit Organisationen in Bayern und Thüringen für notwendig. „Fantastisch“ sei die Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Fulda, doch auch zu anderen Verwaltungsstellen wie beispielsweise der Stadt Hünfeld in Person von Bürgermeister Dr. Eberhard Fennel, zum Landesjagdverband Hessen, zu den Forstämtern Burghaun und Hofbieber oder auch zum Rhönklub pflege man gute Kontakte.

„Der Lebensraum der seltenen Vogelarten kennt keine politischen und keine Landesgrenzen“, so Müller, dem es ein Herzensanliegen ist, Natur wieder für Kinder und Jugendliche „begreifbar und erlebbar zu machen“. Dazu gehöre auch die Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen. Der Appell des 46-Jährigen: „Gerade mit Blick auf zukünftige Generationen müssen wir die Natur schützen und erhalten.“

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