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Kulturagentur zeigt eine Retrospektive des Bildhauers Richard Mühlemeier im Kloster Wechterswinkel

Wechterswinkel. Der viel zu früh verstorbene Bildhauer Richard Mühlemeier gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Rhön im zwanzigsten Jahrhundert. Beinahe dreißig Jahre nach seinem tragischen Tod durch einen Wespenstich würdigt die Kulturagentur in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Schweinfurt Mühlemeier in einer großen retrospektiven Ausstellung in Kunst und Kultur Kloster Wechterswinkel.

Eine Mühle mit Hof und drei Hektar Weideland. Dazu sieben Ar Wald, zwei Hektar Ackerland und das ganze mit dazugehörigem Wasserrecht, Fischrecht und Jagdrecht. Einen Grundbesitz nennt man das und die Aufzählung klingt nicht gerade klein. Klein ist sie jedoch, wenn man einen solchen Grundbesitz aus dem Blickwinkel des Bildhauers Richard Mühlemeier betrachtet. So klein gar, dass dieser ganze Grundbesitz in eine Streichholzschachtel passt. Innen die Landschaft aus Rosemetall, außen die Schachtel mit der Liste der Besitztümer.

Für Richard Mühlemeier war das Große klein und das Kleine groß. Der 1948 in Römershag bei Bad Brückenau geborene Bildhauer, Maler, Lackierer, Lehrer an der Holzschnitzschule in Bischofsheim, freischaffender Kopf von Künstlergemeinschaften am Stengerts und in der ehemaligen Brauerei in Roth, reich gesegneter Kunstpreisträger und Gegen-den-Strom-Schwimmer ist dieser Grundbesitz das, was er von Grundbesitz hielt.

In Kunst und Kultur Kloster Wechterswinkel ist nun eine Ausstellung mit den Hauptwerken Richard Mühlemeiers zu sehen. Darunter auch der bei einer Documenta in Kassel gezeigte „Atlas von Atlantis“, eine Klapplandschaft in Buchform, die neben einem an Keilschriften erinnernden Vokabular ebenfalls ein philosophisches Manifest enthält. Die Kulturagentur, vor allen Dingen Kulturmanagerin Dr. Astrid Hedrich-Scherpf hatte vor einem Jahr die Idee, den großen Bildhauer der Rhön noch einmal in einer umfangreichen Ausstellung zu präsentieren. Und sie hat sich darüber gefreut, dass viele Helfer auf den Mühlemeier-Zug aufgesprungen sind. Weil Mühlemeier in Rhöner Kulturkreisen eine geradezu mystische Bewunderung entgegen gebracht wird, wie Astrid Hedrich-Scherpf bemerkte.

Mühlemeier, das bedeutet eine Diplomarbeit im Landschaftsformat passend in einem Diplomatenkoffer nebst passendem Kugelschreiber. Mühlemeier, der einst einen Schrein für eine verstrahlte Figur schuf in Angesicht der Stationierung von Nuklearwaffen in immenser Anzahl im Deutschland der achtziger Jahre. Mühlemeier, der Landschaften zusammenklappbar machte, das Denkmal des Denkmals schuf, der in seinen Kreuzweg-Zyklus von Lepra zerfressene Gesichter ebenso wie Hoss von Bonanza einfügte. Mühlemeier, der im Blaumann zu einem Empfang beim Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß erschien. Was wäre passiert, wenn dieser Mühlemeier nicht aus einer Flasche getrunken hätte, in die eine Wespe hinein geflogen war? Im Juli 1982 als er gerade einmal 34 Jahre alt war.

Seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Mutter Hedwig ist es zu verdanken, dass die Werke von Richard Mühlemeier heute noch in so großer Zahl vorhanden sind. Dass auch Briefe, Gussformen, Gipsmodelle und vieles mehr bis heute die Zeit überdauert haben, beinahe 30 Jahre nach seinem Tod. Heute ist in der Kunsthalle Schweinfurt der wichtigste Teil der Werke Mühlemeiers in einer Dauerausstellung zu sehen. Für Kunsthistorikerin Andrea Brandl eine Selbstverständlichkeit: „Die Werksprache von Mühlemeier ist singulär“, sagte sie in ihrer Laudatio und bewundert die sich verändernden Landschaften des Künstlers ebenso wie die unterschwellige Kritik des Künstlers am Weltgeschehen seiner Zeit.

Martin Herz, ein Freund Mühlemeiers noch aus gemeinsamen Zivildienstzeiten und heute Diplomsoziologe mit Wohnsitz in Hannover drückte es in einem leidenschaftlichen und begeisternden Vortrag noch deutlicher aus: „Ohne Utopie und Traumbilder ist Mühlemeier nicht lesbar!“, sagte Herz. Der Freund aus vergangenen Zeiten sprach von der unerhörten Produktivität des Künstlers. Von den biographischen Fragmenten seines Lebens, die Martin Herz lieber Passagen nennt. Von der Tradition als dem Urgrund des Neuen im Werk Mühlemeiers. Von der Verschandelung des Universums des Planeten der Zwerge im Hof der Vill’schen Altenstiftung in Bad Neustadt durch parkende Autos. „Legen Sie das Ohr an den Planeten der Zwerge!“, forderte Martin Herz die überaus zahlreichen Besucher der Vernissage auf. Nur der genaue Blick, das genaue Zuhören eröffnen den Weg in die bis heute aktuellen Utopien des Richard Mühlemeier.

Die Ausstellung mit dem Titel: „… und dann die Idee und die Sehnsucht noch einmal etwas Ganzes zu schaffen. Richard Mühlemeier 1948 – 1982“ ist noch bis 31. Oktober immer samstags und sonntags sowie an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

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