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Adoption ist ein anspruchsvoller Weg aus der Kinderlosigkeit

Fulda. Laut Statistik ist jedes siebte Paar zumindest zeitweise von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Paare, die zu Ines George und Irmgard Plappert in die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle der Jugendämter des Landkreises Fulda, der Stadt Fulda und des Landkreises Hersfeld-Rotenburg nach Hünfeld kommen, erwarten Unterstützung bei der Vermittlung eines Kindes. Doch konkret lautet der gesetzliche Auftrag von Adoptionsvermittlungsstellen, für Kinder, die zur Adoptionsvermittlung gemeldet sind, Eltern zu finden. Da sich die meisten Adoptivbewerber um die Vermittlung eines Säuglings bemühen, stehen dem im Verhältnis nur wenige Kinder gegenüber.

„Am Anfang werden wir oftmals mit idealisierten Wunschvorstellungen konfrontiert“, berichtet Ines George. In dem etwa neun Monate dauernden Bewerberverfahren würden die Motive für den Adoptionswunsch hinterfragt und Wünsche und Träume mit der Realität abgeglichen.

Die Adoptionsvermittlungsstellen haben den Auftrag, Adoptionsbewerber auf ihre Eignung hin zu überprüfen. „Aber wir wollen nicht ausschließlich eine Überprüfungsfunktion wahrnehmen, sondern vor allem einen Prozess anstoßen, in dem sich die Paare über Motive und Ziele hinsichtlich ihres Kinderwunsches klar werden“, erläutert Irmgard Plappert. Das Bewerberverfahren, zu dem mehrere Einzelgespräche, ein Vorbereitungsseminar, ein Hausbesuch, ein Sozialbericht und eventuell weitere Seminare gehören, solle als Prozess des Nachdenkens verstanden werden und zur Aufnahme eines fremden Kindes befähigen.

Rund neun Monate Vorbereitung

Im Bewerberverfahren können die Mitarbeiterinnen auf Erfahrungen aller Beteiligten des „Adoptionsdreiecks“ (Adoptierte, leibliche Eltern, Adoptionseltern) zurückgreifen und diese gebündelt weitergeben. Denn zu den Aufgaben der Adoptionsvermittlungsstelle gehört neben der Vorbereitung der künftigen Adoptiveltern auch die Nachbereitung und Begleitung sowie die Hilfe bei der Wurzelsuche von Adoptierten.

Voraussetzungen, um ein Kind adoptieren zu können, seien zum einen die „harten Fakten“ wie Alter (der eine Partner muss mindestens 21 Jahre, der andere 25 Jahre alt sein), eine gefestigte Partnerschaft, gesicherte Verhältnisse, ein gesichertes Einkommen und Gesundheit. Hinzu kämen als „soft skills“ persönliche Kompetenzen wie Offenheit, Reflexionsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Toleranz, die Bereitschaft, Hilfe von außen anzunehmen, Belastbarkeit, ein aufgeschlossenes Umfeld und die Bereitschaft, das Kind über seine Herkunft aufzuklären. „Denn jedes Kind, das zur Adoption freigegeben wird, trägt einen Rucksack mit sich, von dem anfangs noch niemand weiß, was dieser enthält. Vielleicht hat die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol oder andere Drogen konsumiert und die Folgen zeigen sich erst später, häufig wenn das Kind in die Schule kommt.“ Deshalb müssten Adoptiveltern bereit sein, viel Zeit und Geduld für ihr Kind aufzubringen, beispielsweise auch, um es zu Therapien zu begleiten. Das heißt je nach Alter und Bedürfnis des Kindes, dass ein Elternteil möglicherweise seine Berufstätigkeit einschränken oder aufgeben muss.

Regelmäßig werden auch Eltern für Kinder mit besonderen Bedürfnissen gesucht, das heißt für Kinder mit körperlichen oder geistigen Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen.

Familie als Lebensinhalt

Bei Inlandsadoptionen werden meistens Säuglinge vermittelt. Es gibt die Möglichkeit der offenen Adoption, bei der sich alle Beteiligten kennen lernen, oder der Inkognito-Adoption, bei der auch keine Namen und Anschriften ausgetauscht werden. Eine Zwischenform ist die halboffene Adoption, bei der Briefkontakt über die Adoptionsvermittlungsstelle besteht. Weil die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben, dass es für das Wohl der Adoptierten und für ihre Identitätsbildung am förderlichsten ist, wenn sie möglichst früh über ihre Herkunft aufgeklärt werden und zwanglos damit aufwachsen, raten Irmgard Plappert und Ines George wenn möglich zu offenen Adoptionsformen.

Erst nach frühestens acht Wochen können leibliche Eltern ihr Neugeborenes zur Adoption freigeben. Diese Zeit, in der das Kind in Adoptionspflege lebe, sei für die Adoptionsfamilie schwierig. „Das ist eine große Sorge von Adoptivpflegeeltern: Dass sie das Kind wieder abgeben müssen“, wissen die beiden Fachkräfte. Letzter Punkt im Adoptionsverfahren ist die Einschätzung der Mitarbeiterinnen der Adoptionsvermittlungsstelle, ob die Integration des Kindes in die Familie gelungen ist, ein Eltern-Kind-Verhältnis aufgebaut wurde und die Adoption dem Wohl des Kindes dient.

Die Vermittlung eines Kindes in eine neue Familie ist von vielen Faktoren abhängig. Daher gilt nicht, dass, wer sich zuerst anmeldet, auch zuerst Vater und Mutter wird. Einen Rechtsanspruch auf die Vermittlung eines Kindes gibt es nicht. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, der sich Ines George und Irmgard Plappert widmen. „Vor allem eine schöne“, ergänzt Ines George. „Wir helfen dabei, dass ein Kind seine neue Familie findet. Für die Adoptiveltern bedeutet die Gründung einer Familie die Verwirklichung eines wichtigen Lebensinhalts. „Wir möchten, dass Adoption lebenslang gelingt.“

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