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Winterfreud’ und Winterleid auf Hessens höchstgelegener Verwaltungsstelle

100210_Wasserkuppe

Wasserkuppe. Es ist das Höchste, was man in der Fuldaer Kreisverwaltung erreichen kann: eine Stelle beim Fachdienst Natur und Landschaft mit der Zuständigkeit für den hessischen Teil des Biosphärenreservates Rhön. Um den Schreibtisch in fast 950 Metern über NN auf Hessens höchstem Berg, der Wasserkuppe, werden die zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Groenhoff Haus beneidet und bemitleidet – je nach Wetterlage.

Mit dicken Filzschlappen sitzt Ewald Sauer, zuständig für Pflege der Schutzgebiete, Forst- und Jagdangelegenheiten, jetzt im Winter am PC. „Man friert von unten, weil es keinen Keller gibt“, sagt er. Zum Aufrüsten hat er gefütterte Stiefel neben sich stehen und eine zweite Jacke im Schrank hängen. Denn in den vergangenen zehn Jahren, seit die Biosphärenreservatsverwaltung von Wüstensachsen in das ehemalige Bundeswehrgebäude gezogen ist, gab es immer wieder Probleme mit dem alten Heizungssystem.

Weiße Pracht drinnen und draußen

An diesem Morgen ist Sauer jedoch schon einmal tüchtig ins Schwitzen geraten: Als er um 6.30 Uhr als erster an die Arbeit kam, musste er sich erst einmal den Weg ins Gebäude freischaufeln. „Das gehört dazu“, meint er. Doch damit nicht genug: Als er die Tür öffnete, lag innen noch einmal ein halber Meter Schnee, der über Nacht durch die Türfuge geweht war. Etwa eine halbe Stunde sind die Mitarbeiter der Naturwacht morgens damit beschäftigt, den Schnee vom Parkplatz zu räumen. „Je höher und breiter die Schneehaufen werden, desto kleiner werden die Parkflächen“, berichtet Sachgebietsleiter Martin Kremer.

„Wenn der Schnee bis ans Fenster reicht, lugen auch mal spielende Kinder von draußen in mein Büro“, erzählt Sachbearbeiter Joachim Jenrich. Und Ewald Sauer erinnert sich, wie vor drei Jahren sein Fenster komplett zugeweht war. „Da konnte man sich ohne Ablenkung auf die Arbeit konzentrieren“, scherzt er. Der Blick aus dem Fenster kann ansonsten durchaus Feierabendsehnsucht wecken. Vor allem bei Inversionswetterlage, wenn die Sonne strahlt und der Schnee glitzert, fällt es nicht nur Ewald Sauer schwer, am Schreibtisch auszuharren. „Zum Glück habe ich ein Nordfenster“, flachst Martin Kremer. Seine Langlaufskier müssen im Kofferraum bis Dienstschluss warten, bevor er damit eine Runde auf der Loipe ums Flugfeld dreht.

Da hat Joachim Walter, einer der fünf Männer der Naturwacht, es scheinbar besser. Auf Skiern ist er auf den Loipen im Biosphärenreservat unterwegs um aufzupassen, dass keine Langläufer und Schneeschuhwanderer abseits der Spur Schutzgebiete durchqueren. „Neider weise ich gern darauf hin, dass ich einen Acht-Stunden-Tag habe und selbst Skilaufen irgendwann kein Vergnügen mehr ist.“ Kälte stellt für ihn kein Problem dar. „Die Bewegung hält warm.“ Alles in allem genieße er den Winter.

Der kalten Jahreszeit gar nichts abgewinnen kann dagegen Sekretärin Eva Grollmuß. „Ich bin kein Freund von Schnee. Hoffentlich kommt bald das Frühjahr“, seufzt sie. Sie bedauert, dass sich die Verwaltungsstelle nicht mehr in ihrem Wohnort Wüstensachsen befindet. „Aber lieber fahre ich auf die Wasserkuppe als nach Fulda“, meint sie. Angst vor dem Fahren bei winterlichen Straßenverhältnissen habe sie aber nicht. Mit ihren beiden Kolleginnen Ruth Happel aus Bischofsheim und Mechtild Winheim aus Brand ist sie sich einig, dass „Geduld, wenn der Schneepflug noch nicht durch war, gute Winterreifen, umsichtige Fahrweise und eine Schippe im Auto“ vor größeren Schwierigkeiten bewahren.

Keiner musste übernachten

Dabei sei die Hinfahrt auf den Berg, zeitlich nach dem Räumfahrzeug, oft einfacher als die Heimfahrt, wenn Schneewehen längst wieder die Straßen versperrten. „Anfangs hatte ich sicherheitshalber einen Schlafsack im Auto“, verrät der Dirloser Martin Kremer. Aber gebraucht habe er ihn nie. Nicht einmal, als Mitte der vergangenen Woche die Wetterverhältnisse so chaotisch waren, dass die Schulen geschlossen blieben und die Wasserkuppe zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten war.

„Wir haben um 16 Uhr Feierabend gemacht und verständnislos den Kopf geschüttelt über die Mitbürger, die zu diesem Zeitpunkt trotz Warnungen noch zur Kuppe hochgefahren sind“, berichtet der Leiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats, Otto Evers. Als am letzten Donnerstag die Zufahrtsstraßen zur Wasserkuppe komplett gesperrt waren, trat zum ersten Mal in elf Jahren der Fall ein, dass die Verwaltungsstelle geschlossen bleiben musste.

Da vor kurzem die Heizungsanlage modernisiert worden ist und damit das Arbeiten in dicken Jacken der Vergangenheit angehören sollte, könnte man meinen, dass sich Hessens höchstgelegene Verwaltungsstelle kaum von anderen Büros unterscheidet. Doch dem widerspricht Evers: „Wir haben hier Natur hautnah. Als ich heute morgen aus dem Fenster geschaut habe, dachte ich, die Fichten stünden in Flammen. Was für ein traumhafter Sonnenaufgang! Und dann der Blick zum Heidelstein und zum Roten Moor!“, schwärmt er.

„Hier ist das Wetter entweder gnadenlos schön oder gnadenlos bescheiden“, formuliert Martin Kremer. „Aber wenn die Sonne scheint, dann entschädigt das für die restlichen 200 Regen- und Nebeltage im Jahr.“ Joachim Jenrich hat über die Wasserkuppe sogar ein 408 Seiten starkes Buch geschrieben – eine Liebeserklärung, die zu jeder Jahreszeit und selbst im Arbeitsalltag gilt.

Foto: Limpert

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