Vogelsbergkreis. Landrat Rudolf Marx will nicht, dass der Vogelsberg zur „Rückzugsfläche der hessischen Windenergie-Industrie“ wird. Seine deutliche Kritik ist inzwischen weit über die Kreisgrenzen bekannt. „Drei Viertel aller mittelhessischen bzw. ein Drittel aller hessischen Rotoren drehen sich bei uns im schönen Vogelsberg. Das ist unfair.“ Allein sieben hessische Landkreise hielten sich „ganz raus bei diesem Geschäft und ihre Horizonte sauber“, beklagt Marx.
Diese ablehnende Haltung ist auch bekannt bei all jenen Bürgerinnen und Bürgern, die in mehreren kreisangehörigen Gemeinden dem raschen Anwachsen der Windkraftanlagen skeptisch gegenüberstehen. Aus diesem Grund war vor wenigen Tagen eine Delegation aus dem kleinen Alsfelder Stadtteil Fischbach zu Gast im Lauterbacher Kreishaus, um dem Landrat Sorgen, Enttäuschungen und Befürchtungen vorzutragen. Der Landrat bot den Bürgerinnen und Bürgern an, sich direkt in seiner Naturschutz- und Wasserbehörde über den Stand der Dinge zu informieren.
“Sie werden ganz dicht vor unserem Dorf stehen“. Durch die Lage Fischbachs in diesem idyllischen Talkessel werde der Blick der Betroffenen unweigerlich stets auf die Windräder gelenkt. Man könne sich der gigantischen Wirkung wohl kaum entziehen, befürchtet Ulrike Schneider. Die Stadtverordnetenversammlung habe sogar ja gesagt, zu den Plänen, fünf bis sechs 180 Meter hohe “blinkende Ungetüme” direkt vor die Ortslage Fischbachs, mitten im Wald zu errichten. In der Nachbargemeinde Antrifttal seien weitere fünf Anlagen geplant. „Was bleibt dann von dem schönen Buchen- und Eichenwald, der unser Dorf prägt?“, fragt Herbert Weber, stellvertretender Ortsvorsteher. Darüber hinaus sieht Michaela Specht Probleme für den Grundwasserschutz durch die riesigen Flächenfundamente. Die junge Frau ist enttäuscht von der aus ihrer Sicht mangelnden Unterstützung von Seiten des Alsfelder Magistrats. Der in der Nähe brütende Schwarzstorch werde auch gefährdet, fügte Helmut Grein hinzu. Zudem hätten mehrere Bürger aus Fischbach Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch z.B. rotierenden Schattenwurf, Infraschall und Geräuschbelästigung.
Landrat Marx zeigte großes Verständnis für die Enttäuschung der kritischen Fischbacher Bürgerinnen und Bürger. Dabei machte er zweierlei deutlich: zum einen sei er kein genereller Gegner der Windkraft – nur: „was zuviel ist, ist zuviel“. 75 Prozent aller mittelhessischen Windräder – bald werden es über 200 Anlagen sein, zum Teil fast 200 Meter hoch – drehten sich bereits jetzt im Vogelsberg. Das sei und bleibe „schlicht unfair“, was die „mutwillige Landschaftszerstörung“ angehe.
Zum Zweiten beschrieb er die Rolle des Landrats und seiner Kreisverwaltung bei der Genehmigung solcher Anlagen: „Wir können nur fachliche Bedenken einbringen, entscheiden dürfen wir nichts – es entscheidet ausschließlich das Regierungspräsidium beziehungsweise bei Abweichungsverfahren die Regionalversammlung. Und die sind beide auf einem strammen Windkraftkurs – ganz anders als viele andere hessische Landkreise und Regionen“, kritisiert der Vogelsberger Landrat. Marx ermutigte die Fischbacher, weiter hörbar ihre Kritik zu äußern. „Man kann nicht alles dem Geld unterordnen“, mahnte der Kreishauschef. Die gesamte Region mit ihren ambitionierten Vorhaben auf dem Gebiet des Tourismus leide unter der Verschandelung, ja Zerstörung genau jener Landschaft, die man gerade begonnen habe, erfolgreich zu vermarkten.