Künzell. „Dies ist Rosy. Sie ist die Jüngste, die wir im Gefängnis angetroffen haben. Sie war damals sechs Jahre alt“. Die Betroffenheit steht den Schülern der Klassen 12 und 13 der Rudolf Steiner Schule Loheland ins Gesicht geschrieben. Was sie von Axel Hermoso, Rechtsanwalt und Verfechter der Kinderrechte auf den Philippinen zu hören bekommen, ist schwer zu verarbeiten. Die Philippinen sind ein extrem armes Land, die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise hat die Situation nur verschlimmert. Aufgrund der extremen Armut gelten das Leben und die Rechte von Kindern hier wenig. Und doch sind es gerade Europäer, Japaner und Amerikaner, die das Leben der Kinder noch unerträglicher machen. Denn sie kommen als Sextouristen aus aller Herren Länder in die Philippinen, da in ihren Heimatländern Sex mit Kindern nicht nur verboten ist, sondern auch geahndet wird. Dies ist auf den Philippinen anders. Zwar ist Sex mit Kindern auch dort offiziell verboten, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Hilfe jeglicher Art
Um diese Kinder kümmert sich stattdessen Preda, eine Kinderhilfsorganisation, die durch den Verkauf von fair gehandelten Mango-Früchten vielen jungen Frauen und Kindern einen Weg aus dem Teufelskreis von wirtschaftlicher Armut und dem Verkauf des eigenen Körpers ermöglicht. Sehr eindringlich erzählte der vom Bistum Limburg nach Deutschland eingeladene stellvertretende Gründer von Preda, Axel Hermoso in seinem Vortrag vor den Loheland-Schülern von der erfolgreichen Schreitherapie. In ihr versetzen sich die Kinder in Gedanken zurück in die schlimmsten Situationen ihres Lebens und versuchen, ihre Verzweiflung, ihre Schmerzen, ihr Alleinsein hinaus zu schreien in die Welt – denn während des sexuellen Missbrauchs mussten sie diese Leiden nur stumm ertragen. Das gegenwärtige ambitionierte Ziel von Preda ist, von der Therapie überzugehen zur Prävention. Den Bauern ein solches Einkommen zu ermöglichen, dass sie ihre Kinder erst gar nicht in die Prostitution schicken müssen.
Aufgrund der Armut auf den Philippinen gibt es auch zahlreiche verlassene Kinder, die ihr Leben mit Betteln, Stehlen und dem Inhalieren von Klebstoff verbringen. Diese Kinder werden von der Polizei oftmals in überfüllte Gefängnisse gesteckt, ohne Rücksicht auf Alter und begangener Straftat. Ein solches Kind war auch Rosy, die nicht etwa mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, sondern das philippinische Gesetz in Gestalt der Polizei mit ihr, betonte Hermoso. Die von Vortrag und Diskussion, die beide auf Englisch geführt wurden, beeindruckten Loheland Schüler wollten zum Schluss wissen, wie man auf diese Verhältnisse Einfluss nehmen kann. Neben dem Kauf von fair gehandelten Waren empfahl Hermoso vor allem, dass nicht länger weggeschaut wird, wenn Sextouristen auch aus Deutschland in armen Ländern ihr Unwesen treiben. Nicht zu vergessen sei auch, dass die Geberländer von Entwicklungshilfe auf die Einhaltung der Menschenrechte in den Empfängerländern achten. Und zuletzt sei es auch kurzfristig von den reichen Ländern gedacht, wenn in der Krise die ärmsten Länder im Stich gelassen würden, mahnten die Schüler angesichts des bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfels. Denn all diese verlassenen Kinder können bei angemessener Ausbildung und eigener Produktion die Kunden von morgen sein.
Trotz seiner furchtbaren Erfahrungen und seiner pessimistischen Sicht der Zukunft war Alex Hermoso doch sichtlich bewegt, als einige Loheland Schüler fragten, ob sie nach dem Abitur an seiner Einrichtung als Voluntäre mitwirken könnten. Sie waren sehr vom Symbol der Kinderrechtsbewegung beeindruckt, dem Engel mit dem gebrochenen Flügeln und der Träne im Auge, der inzwischen auch zum Symbol der Anti-Aids Kampagne in Afrika geworden ist.. Das ist genau unsere Hoffnung, betonte er, dass Menschen zu uns kommen und mithelfen, diese Kinder wieder zum Lachen bringen.
Andreas Herberg-Rothe (21.9.2009)