Written by 15:43 Alle Nachrichten, Gesundheit & Medizin

Tabuthema gehört ins Rampenlicht

Angst, Schuld, Scham – mit diesen Emotionen sieht sich das Team der Schutzambulanz Fulda häufig konfrontiert. Wenn Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, die Schutzambulanz aufsuchen, dann sind sie über den großen Schatten dieser negativen Gefühle, die ganz oft zum Totschweigen und Aushalten einer unerträglichen Lebenssituation und zur sozialen Isolation führen, gesprungen.

„Es fällt den Menschen nicht leicht, Hilfe zu suchen und den Ausweg aus der Gewaltspirale zu finden“, weiß das Team der Schutzambulanz, die sich in den letzten vier Jahren als erste Anlaufstelle für Gewaltopfer in der Region etabliert hat. Betroffene aus den Landkreisen Fulda, Hersfeld-Rotenburg und Vogelsberg, aber auch aus weiter entfernten Landkreisen suchen die Schutzambulanz Fulda auf. Im vergangenen Jahr waren es 132 Personen, die Rat und Hilfe suchten. Dabei waren es überwiegend Frauen (80 Prozent), die sich an die Schutzambulanz wandten. Bei knapp der Hälfte der ratsuchenden Personen stand die körperliche Gewalt im Vordergrund.

Doch neben der körperlichen Gewalt gibt es auch die seelische oder sexualisierte Gewalt sowie Vernachlässigung. „Gewalt kann auch sein, jemanden in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, Kontakte zu anderen Menschen zu unterbinden oder ihm die finanzielle Grundlage zu entziehen“, erläutern die Mitarbeiterinnen der Schutzambulanz. Gewalt könne die Gesundheit leicht, schwer oder dauerhaft beeinträchtigen. „Manche gesundheitlichen Folgen sind gut sichtbar, andere kaum. Viele körperliche Verletzungen verheilen schnell, psychische Folgen können auch noch nach Jahren spürbar sein“, wissen die Mitarbeiterinnen.

Um körperliche Gewalt später beweisen zu können, sei es wichtig, körperliche Spuren möglichst innerhalb von 48 Stunden nach dem Gewaltgeschehen dokumentieren zu lassen. Diese Dokumentation, die vor Gericht Bestand hat, gehört neben entlastenden Gesprächen und einer Weitervermittlung an zuständige Hilfseinrichtungen oder Institutionen zum Angebot der Schutzambulanz.

Etwa ein Viertel der betroffenen Personen ließ im vergangenen Jahr die Verletzungen dokumentieren. Dabei waren die beiden jüngsten 20 Jahre alt und weiblich, die beiden ältesten waren eine 83-jährige Frau und ein 86-jähriger Mann. Die gerichtsverwertbare Dokumentation wurde wiederum von einem Drittel der Personen dazu genutzt, Strafanzeige zu erstatten. Da Dokumentationen und Beweisstücke in der Ambulanz aufbewahrt werden können, ist die Erstattung einer Anzeige auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. „Grundsätzlich ist das Angebot der Schutzambulanz kostenfrei. Die Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht und nichts geschieht ohne Absprache mit und dem Einverständnis der Klientinnen und Klienten“, erläutert das Team.

„Mit der Schutzambulanz, die im Jahr 2010 als Modellprojekt von Land Hessen und Landkreis Fulda gestartet wurde, haben wir für die Opfer von Gewalt einen niedrigschwelligeren Zugang zu Hilfsangeboten schaffen können. Damit wurde nicht nur die Versorgungssituation verbessert, sondern auch ein Tabuthema mehr ins Rampenlicht geholt“, erklärt Gesundheitsdezernent Dr. Heiko Wingenfeld. „Die weitere Vernetzung zwischen den Institutionen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie die kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit sollen dazu beitragen, dass in Zukunft noch mehr Betroffene über den Schatten von Angst, Schuld und Scham springen können.“

Visited 1 times, 1 visit(s) today
Close