Fulda (bpf). „In unserer von Krisen geschüttelten Zeit gilt es, das auf Gesellschaft und Kultur ausgerichtete Engagement der Kirche insgesamt zu verstärken und die Kraft zur Mitgestaltung zu steigern.“ Dies betonte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen am Dienstag, 1. Januar, beim traditionellen Neujahrsempfang im Fuldaer Priesterseminar. Als Beispiele für die besondere Verantwortung der Kirche führte der Oberhirte einen ökologisch verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung Gottes und die Sorge um den Menschen selbst als Gottes Geschöpf an. „Entwicklungen im Bereich der Biotechnologien fordern dringend eine Verstärkung des unbedingten Schutzes des Lebens des Menschen vom Anfang bis zum Ende.“ Der Schutz des Lebens beschäftige die Kirche seit vielen Jahren, so etwa im Zusammenhang mit der Tötung embryonaler Menschen zugunsten der Stammzellenforschung. Hier habe der Europäische Gerichtshof im Oktober 2011 die Position der katholischen Kirche bestätigt. „Die Gottebenbildlichkeit des Menschen, seine daraus resultierende Heiligkeit und seine ihm eigene Menschenwürde, die wir am hohen Weihnachtsfest feierten, gelten bedingungslos und dürfen niemals zur Disposition gestellt werden“, betonte der Oberhirte vor über 100 Vertretern aus Kirche und Gesellschaft.
Bioethische Dammbrüche im Jahr 2012
In seinem Schlusswort zum Neujahrsempfang nannte Bischof Algermissen konkret die Freigabe des sogenannten Trisomie-Tests der Konstanzer Biotech-Firma LifeCodexx. „Bei diesem hochbrisanten Bluttest für Schwangere geht es faktisch um die Selektion von Menschen mit Down-Syndrom.“ Er sei eine deutliche Verschärfung der pränatalen Diagnostik und fördere in der Gesellschaft die fatale Tendenz, nach den Schwachen zu fahnden, um sie dann umzubringen. Des Weiteren habe im vergangenen Sommer ein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz der assistierten Selbsttötung Tür und Tor geöffnet und die Hilfe zum Suizid als Dienstleistung unter der Hand zur Selbstverständlichkeit gemacht. „Kein Mensch jedoch hat je Verfügungsgewalt über das Leben, weder über das eigene noch über das anderer. Selbst die nächsten Angehörigen dürfen sich nicht anmaßen, über Leben und Tod eines Familienmitglieds zu entscheiden.“ Nach dem Verständnis der katholischen Kirche könne Sterbehilfe immer nur bedeuten, Beistand und Begleitung im Sterben zu leisten. Niemals sei Hilfe zum Sterben erlaubt, die eine bewusste und gezielte Herbeiführung des Todes bedeute. Mit alledem drohe das innere Klima in der deutschen Gesellschaft immer mehr zu kippen und eine lähmende Gleichgültigkeit Einzug zu halten. Der Bischof rief dazu auf, im Wahljahr 2013 die eigene Stimme auch abhängig zu machen von der Frage, wie ein zu wählender Politiker zum Schutz des menschlichen Lebens in einem umfassenden Sinn stehe. „Für mich ist das ein wesentliches Kriterium“, so Algermissen.
Dank an in der Kirche Engagierte
Zum Schluss dankte der Oberhirte ausdrücklich allen in der Kirche ehrenamtlich wie auch hauptamtlich Engagierten, die die fuldische Kirche auf dem Weg zu Gott und in seine Zukunft weitergebracht hätten. „Sie alle schenken mir die vertrauensvolle Zusage, gemeinsam und vom Evangelium getragen auf dem Weg in die Zukunft unseres Bistums zu sein“, betonte der Bischof. Im Anschluss an seine Ansprache gab Bischof Algermissen die Ernennung von Personaldezernent Monsignore Christof Steinert zum päpstlichen Ehrenprälaten bekannt.
Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke hatte zu Beginn des Neujahrsempfangs im Namen des Bischofs die anwesenden Gäste aus Kirche und öffentlichem Leben willkommen geheißen und angekündigt, dass das Verwaltungsgebäude des Bischöflichen Generalvikariats in Fulda (Paulustor 5) ab Ende des Jahres energetisch saniert werde und die bischöfliche Verwaltung dann zeitweise in das ehemalige Liobaheim umziehen werde.
Gedanken zum „Jahr des Glaubens“
Das auf Initiative von Papst Benedikt XVI. im Oktober 2012 begonnene „Jahr des Glaubens“ erinnere an den Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren, so der Generalvikar. Ziel des Konzils sei es gewesen, die Lehre der Kirche in voller Fülle zu erfassen und zeitgemäß auszulegen. Christen sollten auf Wunsch des Papstes besonders im Jahr des Glaubens aus dem Evangelium heraus in die Welt hineinwirken. Zwar stoße die katholische Kirche in der heutigen Gesellschaft oft auf Misstrauen und Vorbehalte, doch gebe es andererseits auch hohe Erwartungen von kirchenfernen Menschen an sie, denn in der Religion sei laut Habermas etwas erhalten geblieben, was anderswo längst verloren gegangen sei. In der postmodernen Welt sei „alles möglich, nichts gewiss“, wie es der verstorbene tschechische Schriftsteller und Staatspräsident Václav Havel ausgedrückt habe. „Im Jahr des Glaubens müssen wir uns auf die wesentlichen Fragen konzentrieren: Woher komme ich, wohin gehe ich, gibt es eine letzte Gerechtigkeit“, unterstrich Prof. Stanke. Jeder Mensch sei von Gott gewollt und habe „einen Platz in seinem Herzen“. Der Glaube an Gott befreie von der Angst, nichts zu gelten, und von dem Zwang, sich Liebe „verdienen“ zu müssen. Das Ja, das Gott zu jedem Menschen spreche, gelte über dessen Tod hinaus und verweise auf die Würde eines jeden. Eine große Gefahr sah der Generalvikar darin, dass in unserer Gesellschaft die Menschenwürde relativiert werde – wenn man sie „zuerkennen“ dürfe, könne man sie auch wieder „aberkennen“. „Wir haben aber die Würde jedes Menschen vielmehr anzuerkennen, weil er von Gott geliebt ist.“ Die Botschaft des Evangeliums befreie und gebe die Kraft, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, auch da, wo man dies mit seinem Leben bezahle. „Die Hoffnung stirbt nicht ‚zuletzt’, wie es oft heißt, sondern die Hoffnung wird erfüllt“, zeigte sich Prof. Stanke überzeugt.
Der Landrat des Landkreises Fulda, Bernd Woide, sprach, auch im Namen des Fuldaer Oberbürgermeisters Gerhard Möller, für Landkreis und Stadt Fulda der Kirche seine besten Neujahrswünsche aus und hob in seiner Ansprache hervor, dass es Werte gebe, die „absolut und unverbrüchlich“ seien, so z. B. in der Familie oder in der Gemeinschaft. „Wer Wert hat, hat einen Kompass bei sich“, so der Politiker. Die Menschen seien gut beraten, sich den Werten, die jeder in sich habe, zu stellen und sie nicht auf andere zu verlagern. „Unsere Region hier ist anders als andere, denn wir haben noch eine große innere Bindung an die Kirche“, betonte Woide. Wichtig sei ihm eine gute Zusammenarbeit mit der Kirche, zum Schutz behinderter Menschen und der Kranken und Schwachen. Inklusion von Behinderten in das Regelschulsystem sei ein wichtiger Ansatz, doch dürfe ein differenziertes, individuelles Schulsystem mit besonderen Fördermöglichkeiten für Behinderte keineswegs aufgegeben werden.