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Kindsein ist kein Kinderspiel: Zwischen Therapie, Schulstress und Mobbing

Frankfurt am Main. Kindsein ist heutzutage kein Kinderspiel. Auf dem Nachwuchs lastet bereits ein enormer Druck. Das hat erst kürzlich eine Studie des Deutschen Kinderschutzbundes gezeigt. Demnach fühlt sich jedes vierte Kind zwischen sieben und neun Jahren massiv gestresst. Dieser Stress kann sich auch auf die Entwicklung von Kindern auswirken, warnt die Techniker Krankenkasse (TK) in Hessen. Mit Sorge beobachtet die Krankenkasse, dass unverändert viele Kinder zum Therapeuten müssen. Eine Auswertung der TK ergab, dass im vergangenen Jahr jedes vierte Kind in Hessen unter 15 Jahren ein Heilmittel wie eine Physiotherapie, Ergotherapie oder Sprachtherapie verordnet bekommen hat. Die Zahlen sind seit etwa sechs Jahren unverändert hoch.
“Erfreulicherweise gibt es inzwischen sehr gute Möglichkeiten, Kinder mit Entwicklungsproblemen therapeutisch zu unterstützen. Dass mittlerweile aber fast jedes vierte Schulkind therapieerfahren ist, ist bemerkenswert. Es wirft die Frage auf, ob wir den Kindern in ihrem Alltag ausreichend Anreize und Raum geben, sich zu entwickeln”, sagt Daniela Bürger, Präventionsexpertin der TK. Gegen den hohen Therapiebedarf gäbe es zwar kein Patentrezept, aber Eltern könnten ihren Nachwuchs in seiner Entwicklung stärker unterstützen und so die eine oder andere Therapie überflüssig machen. “Das gemeinsame Singen von Kinderliedern und Abzählreime üben beispielsweise die Sprache.” Kinder sollten ihrer Fantasie auch beim Spielen, Basteln oder Toben auf dem Spielplatz freien Lauf lassen können. “Solche Aktivitäten fördern das Sozialverhalten, die Kreativität und die koordinativen Fähigkeiten, womit das Risiko von Entwicklungsrückständen gemindert werden kann”, sagt Bürger.

Laut Kinderschutzbund-Studie empfinden Kinder vor allem den Schulalltag als stressig. Jeder dritte Zweit- und Viertklässler nannte Unterricht und Hausaufgaben als größte Stressfaktoren. Die Bedingungen in den Schulen haben sich in den vergangenen Jahren in der Tat drastisch geändert. “Es gibt wohl kaum einen Bereich der Gesellschaft mit einer derart großen Zahl von Reformen wie das Bildungswesen. Wurden früher Kinder mit sechs oder gar sieben Jahren eingeschult, drücken heute oft schon Fünfjährige die Schulbank. Das Abitur ist in zwölf Jahren abzulegen und Computer sind im Unterricht ein alltägliches Hilfsmittel”, erklärt Daniela Bürger.

Und nicht zuletzt scheint es, als wäre die Kultur des Umgangs der Schüler untereinander rauer und unsozialer geworden. Dramatische Fälle von Mobbing finden sich immer wieder in den Schlagzeilen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der TK hat jeder dritte Schüler in Hessen bereits schlechte Erfahrungen – wie Drohungen, Beleidigungen und das Verbreiten von Gerüchten im Internet oder via Handy – gemacht.

Hinzu kommen die hohen Erwartungen, die die Eltern an ihr – oftmals einziges – Kind stellen. Schließlich soll der Sprössling die besten Chancen auf einen guten Start ins Berufsleben haben. Aber auch die Freizeitaktivitäten der Kinder haben sich verändert. Eine weitere Forsa-Umfrage im Auftrag der TK ergab, dass jedes dritte hessische Kind zwischen sechs und 18 Jahren mehr als eine Stunde vor dem Fernseher verbringt. Dazu kommen noch Zeiten vor Computer und Spielkonsole.

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