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Durch Kooperationen mit Schulen gegen ungebremsten Medienkonsum und zunehmende Bequemlichkeit ankämpfen

Fulda. Der renommierte Hirnforscher und Neurobiologe Manfred Spitzer redet in seinem neuen Buch „Digitale Demenz: Wie wir unsere Kinder um den Verstand bringen“ nicht lange um den heißen Brei. Seine Kernaussage zusammengefasst lautet: Zu viel Fernsehen, Surfen im Netz und Spielen am Computer macht Kinder fett, aggressiv und blöd. Klare Worte in einer Zeit, in der Unterhaltungselektronik in immer mehr Kinderzimmern dominiert und Sportvereine über Nachwuchs klagen.

Foto: Max Colin Heydenreich

Stefan Förster, Vater eines 16-jährigen Sohnes, ist besorgt. „Auch wir drohen im Kampf gegen den Computer den Kürzeren zu ziehen. Unser Sohn verbringt mittlerweile deutlich mehr Zeit vor dem Bildschirm als beim Fußball auf dem Sportplatz“, sagt der Fuldaer. Das sei wie eine Sucht, und bereits 12- oder 13-Jährige würden in der Schule als Außenseiter abgestempelt, wenn sie nicht ein eigenes Handy vorweisen könnten. Computer, Fernseher und Internet förderten die Bequemlichkeit der Jugendlichen. Die Entscheidung, Sport oder Spielekonsole, falle häufig zugunsten der Flimmerkiste aus.

„Dass viele Kinder Sport höchstens noch an ihrer Spielekonsole betreiben, sehe ich, wenn einige kaum noch einen Ball fangen können“, beschreibt Michael Hans, Lehrer an der Hünfelder Jahnschule, seine Erfahrungen. Hier bietet der 36-Jährige eine Tischtennis-AG an und kooperiert mit dem Hünfelder SV, um den Kontakt der Vereine zu den Jugendlichen zu erhalten. „Die Zusammenarbeit von Schule und Sportverein am Nachmittag schafft Synergie-Effekte und Win-Win-Situationen“, erklärt der Marbacher, der schon seit vielen Jahren als Spitzenspieler für den TV Petersberg an der Tischtennisplatte steht. Da vielen Jugendlichen durch G8 kaum noch Zeit für einen Sportverein bleibe, „bieten wir an der Jahnschule überwiegend Nachmittagskurse mit sportlichem Schwerpunkt an“, erläutert Hans das Konzept. Generell sieht der Pädagoge dringenden Handlungsbedarf für verstärkte sportliche Angebote an Schulen.

„Motorische Fähigkeiten schwinden in gravierendem Maße, dazu kommen Bewegungsdefizite“, sagt Jürgen Pfeiffer, der jahrzehntelang als Sportlehrer aktiv war, zuletzt bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Sommer an der Konrad-Adenauer-Schule in Petersberg. In den vergangenen Jahren sei außerdem die Zahl der fettleibigen Kinder extrem angestiegen, die Tendenz sei geradezu besorgniserregend, so der 65-Jährige. Das sportliche Leistungsniveau habe in der Breite parallel dazu massiv abgenommen. Die Auswirkungen von zunehmenden Ganztagsschulen und G8 hält Pfeiffer nicht nur für den Breiten-, sondern auch für den Leistungssport gefährlich. „Intensives Training mehrmals pro Woche und Schule lassen sich mittlerweile kaum noch vereinbaren“, sagt der ehemalige Leichtathlet. In der Regel müsse man sich dann für eines von beiden entscheiden.

„Die Probleme sind bekannt. Wir hören diese Schwierigkeiten immer wieder von den Vereinen, müssen uns den Herausforderungen aber stellen“, betont Hünfelds Sportkreisvorsitzender Hein-Peter Möller. Einen Ausweg aus diesem Dilemma suchen die ersten Sportvereine im Landkreis Fulda, die verstärkt auf Kooperationen mit Schulen setzen. Dazu gehören unter anderem die Ulstertalschule Hilders, die sich mit dem Volleyball-Verein in Hilders kurzgeschlossen hat, und die Rabanus-Maurus-Schule, die eine Zusammenarbeit mit dem Judo-Club Fulda eingegangen ist.

Dass Sport nicht nur für den körperlichen Ausgleich wichtig ist, untermauert Lehrer Michael Hans. „In einem Sportverein lernen die Kinder Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen und emotionale Belastbarkeit. Das halte ich für das spätere Leben für mindestens genauso wichtig wie Kenntnisse etwa über chemische Reaktionsgleichungen.”

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