Written by 0:09 Alle Nachrichten, Gesundheit & Medizin, Topthema

Zappelphilipp trifft Therapie-Esel – Charakterstarke Vierbeiner helfen ADHS-Kindern

Hilders-Batten. „Autogenes Training, Sport, Ergotherapie, Ernährungsumstellung, Konzen-trationstraining, das Medikament Ritalin und so weiter und so weiter. Wir haben so viel versucht, um die ADHS unseres Sohnes in den Griff zu bekommen“, erzählen Marion und Stefan Althaus*. Nach jahrelanger Ärzte- und Therapeuten-Odyssee ist der Familie mit Unterstützung der Heilpraktikerin Jutta Schauen ein entscheidender Durchbruch im Umgang mit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-störung (ADHS) ihres Sohnes Jonas* gelungen. Doch es ist nicht allein der erfahrenen Therapeutin, sondern auch zwei charakterstarken Vierbeinern zu verdanken, dass dem Zehn-jährigen „die Sicherungen inzwischen viel seltener durchbrennen“ und die Familie Althaus zur Ruhe kommen konnte.

Anton und Walter heißen die zwei „Geheimwaffen“ der 65-jährigen Heilpraktikerin, die aus Nordrhein-Westfalen stammt und sich vor acht Jahren in Hilders-Batten niedergelassen hat. Ihre Therapie-Esel sind im 13 Kilometer entfernten Fladungen (Bayern) zu Hause. Dort teilen sich die zwei Esel mit ihren Kameraden Moritz und Lotta einen Stall und haben das Esel-Paradies quasi vor der Stalltür. Saftige Wiesen, zahllose Sträucher, Gräser und Apfelbäume – da fühlen sich nicht nur die Grautiere wohl, auch Jutta Schauens kleine und goße Klienten lassen sich gerne auf die therapeutische Arbeit inmitten der freien Natur ein.

Tatsächlich sind Anton und Walter die besten Eisbrecher, die man sich vorstellen kann. Sie sind freundlich, „verschwiegen“ und reagieren mit stoischer Ruhe auf Streichel- und Schmuseattacken. „Die Tiere“, sagt Jutta Schauen, „sind mit Kindern aufgewachsen und großartige Helfer bei meiner therapeutischen Arbeit. Man braucht viel weniger Worte, weil die Situation hier draußen viel weniger konfrontativ ist, als in einer Praxis.“

Bevor Anton und Walter bei Familie Althaus ins Spiel kamen, hatte Jutta Schauen mit Jonas’ Eltern gesprochen, um Hintergründe zu erfahren und eine Grundlage für die gemeinsame Arbeit zu schaffen. „Denn ADHS“, meint die Therapeutin, “ist ein Familienthema, das man immer gemeinsam bearbeiten sollte.“ Stefan Althaus erinnert sich an das erste Gespräch bei der Heilpraktikerin. „Wir waren verzweifelt und haben zur ihr gesagt: >>Machen Sie unser Kind normal!<<, denn Jonas war über Jahre aggressiv, ungeduldig, laut, nicht zu bändigen, unkonzentriert. Er störte den Unterricht und unser Familienleben.“ Mit leiser Stimme ergänzt Marion Althaus: „Mein Mann und ich standen damals kurz vor der Trennung, weil uns unser „durchgeknalltes“ Kind jahrelang alles abverlangt hat. Wir hatten einfach keine Kraft mehr.“

Jutta Schauen und ihre Therapie-Esel konnten nicht nur die Tür zu Jonas’ Seele öffnen, sondern auch das Ehepaar wieder näher zusammen bringen. „Wir haben über Jahre versucht, mit aller Kraft gegen ADHS anzukämpfen, es wegzutherapieren und dabei eigene Probleme oder falsche Verhaltensweisen völlig igno-riert“, sagt das Ehepaar ganz selbstkritisch. „Heute konzentrieren wir uns auf die Stärken unseres Sohnes, lassen ihm mehr Freiräume und sind geduldiger mit uns selbst.“

Jonas ist seit der Eseltherapie viel selbstbewusster geworden. Er hat die Schule gewechselt und jetzt erfahrene Lehrer an seiner Seite, die mit ADHS-Kindern umgehen können. Beim Fußball, Handball und Basketball hat er Freunde gefunden, mit denen er gemeinsam den Bewegungsdrang ausleben kann. Am Wochenende ist Familienzeit – ohne Streß-, sondern mit Spaßprogramm.

„Als wir aufgehört haben, so viel von Jonas zu erwarten und den (Leistungs)Druck von uns und unserem Kind genommen haben, ging es uns allen besser“, sagen Marion und Stefan Althaus. Denn beide haben erkannt, dass man mit Druck und Zwang nicht weiterkommt – weder bei ADHS-Kindern, noch bei charakterstarken Eseln. (Dorit Heydenreich)

* Namen von der Redaktion geändert

 

Visited 1 times, 1 visit(s) today
Close