Fulda. Die Anleitung zum Unglücklichsein passt auf eine Postkarte – nicht bei Autor Paul Watzlawick, aber bei pro familia Fulda. Die Paar und Sexualberatungsstelle hat nämlich „Ratschläge“ für Paare mit Kindern formuliert, die man/frau für ein erfülltes Sexualleben tunlichst nicht beherzigen sollte.
Zum Beispiel Tipp 4: „Lassen Sie die Kinder täglich in Ihrem Bett schlafen. Der günstigste Platz ist zwischen den Eltern.“ Oder Tipp 5: „Vergessen Sie das Thema Sex und Erotik auf unbestimmte Zeit.“ Die Eltern, Paare oder Einzelpersonen, die die staatlich anerkannte Beratungsstelle aufsuchen, wollen aber eigentlich alle das Gleiche: dass es (wieder) rund läuft in der Beziehung und/oder im Bett.
„Zu uns kommen Paare, die Eltern geworden sind und festgestellt haben, dass sich mit der Elternschaft auch in der Mann-Frau-Beziehung sehr viel verändert hat. Außerdem suchen uns Paare auf, die schon lange zusammen sind und sich nach dem Auszug der Kinder wieder neu finden müssen. In letzter Zeit werden auch immer mehr Frauen oder Männer, die sexuelle Probleme haben, von den Gynäkologen bzw. Urologen zu uns geschickt. Außerdem kommen auch Senioren zu uns, die sich nach dem Verlust eines Partners neu zusammengetan und den Wunsch nach einer erfüllenden Sexualität im Alter haben“, erläutert Anne Fleischmann. Die Diplom- Sozialarbeiterin führt gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Diplom- Pädagogen Stefan Zierau, die Paar- und Sexualberatung durch. Beide haben eine entsprechende therapeutische Zusatzausbildung absolviert.
Ob Partnerschaft oder Sexualität – die Probleme gehen nach den Erfahrungen der Experten meistens Hand in Hand. „Die Zugänge unterscheiden sich“, sagt Anne Fleischmann, „aber häufig führt das Eine zum Anderen.“ Während es beim Paarkonflikt meistens in der Kommunikation hapert, gibt es bei der Sexualität nicht selten organische oder psychologische Stolpersteine wie Erektionsstörungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder ein unterschiedliches Lustempfinden.
Die Berater analysieren gemeinsam mit dem Paar oder der Einzelperson, woher die Probleme kommen und wie sie sich lösen lassen könnten. „Oft steht viel Unausgesprochenes zwischen den Paaren. Als Berater machen wir Vorschläge oder geben Tipps, wie man bestimmte Verhaltensweisen ändern kann, oder wir ermuntern dazu, etwas Neues auszuprobieren.“
Von den 1.127 durchgeführten Beratungsgesprächen im vergangenen Jahr entfielen knapp 500 Beratungsgespräche auf den Arbeitsschwerpunkt Paar- und Sexualberatung. „Der Bedarf ist, so groß, dass wir zeitweise mit Wartelisten arbeiten müssen“, erläutert Anne Fleischmann. Finanziert wird die Arbeit des Vereins zu 80 Prozent durch Mittel des Landes Hessen sowie durch die Förderung von Stadt und Landkreis Fulda. Darüber hinaus helfen Mitgliedsbeiträge, Spenden und die Eigenbeteiligung der Klienten dabei, kostendeckend zu arbeiten.
Neben der Paar- und Sexualberatung deckt das sechsköpfige Fachteam auch die allgemeine Schwangerenberatung, die Vergabe der Mittel aus der Mutter-Kind-Stifung, die Schwangerschaftskonfliktberatung, die Beratung zu Familienplanung, bei Trennung und Scheidung, das Thema Sexualität und Behinderung, die Sexualpädagogik in Schulen, Fortbildung für Fachkräfte, Elternabende sowie die Beratung bei Problemen mit Gewalt (Arbeit mit Tätern) ab. Pro familia ist eingebunden in regionale Netzwerke, wie EvA., Netzwerk Familie oder Netzwerke gegen Gewalt. Gegründet wurde pro familia übrigens vor 60 Jahren in Kassel. In Fulda gibt es den gemeinnützigen Verein seit 1976. Die Beratungsstelle befindet sich in der Heinrichstraße 35 und ist erreichbar unter Telefon (0661)48049690. (Dorit Heydenreich)
Zum Foto: Das Team von pro Familia v.l.n.r.: Vera Leinweber, Monika Möller-Schneider, Stefan Zierau, Anne Fleischmann, Torsten Wiegand. Es fehlt Eike Brähler. / Foto: Leupold