Großbritanniens Bürger haben im Juni 2016 mit knapper Mehrheit entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Ganz anders sah da aber die Stimmung in der Hauptstadt und Finanzmetropole London aus. Hier wurde vom jungen, urbanen und wirtschaftlich langfristig denkenden Volk mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt.
Aus Sicht des Finanz- und Wirtschaftssektors kein erstaunliches Ergebnis, immerhin besteht mit dem Ausritt Englands aus dem EU-Binnenmarkt offen, inwiefern in Zukunft noch zollfreier Warenverkehr stattfinden kann. Für viele internationale Unternehmen aus dem amerikanischen und asiatischen Raum, deren europäischer Hauptsitz bisher in London lag, eine finanziell sehr riskante Angelegenheit. Diese müssen sich nun nach Alternativen umsehen und auch Umzüge ihrer Hauptgeschäftsstellen in Betracht ziehen. Ein sicherer Abzug aus London wurde sogar schon von mehreren Großunternehmen angekündigt. Auch führende Banken wollen es in anderen europäischen Ländern versuchen, wie Anthony Browne, Vorsitzender der British Bankers’ Association, der Zeitung “Observer” mitteilte. Deutschland könnte hiervon stark profitieren, steht es mit seiner Finanzhauptstadt Frankfurt doch relativ hoch im Kurs, nächste Zentrale vieler Finanzinstitute zu werden. Die Bundesrepublik gilt weiterhin als sicheres EU-Mitglied und lockt mit einer stabilen Wirtschaftslage und dem international anerkannten Finanzplatz Frankfurt am Main.
Generell gesehen ist Frankfurt eine wirtschaftlich starke Stadt. Die Anzahl der Erwerbslosen, die kontinuierlich sinkt und die verschiedenen neuen Jobs, die in Frankfurt vor allem im Internet täglich publiziert werden, stellen einen Beweis hierfür dar. Doch diese positive Entwicklung bezieht sich nicht auf den Bankensektor, in dem es in den letzten Jahren mit neu ausgeschriebenen Stellen eher mau aussah. Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, rechnet aber in den kommenden fünf Jahren mit rund 10.000 neuen Arbeitsplätzen, die durch die Umzüge der Londoner Banken auf deutschen Boden entstehen könnten. Das käme dem deutschen Banker-Markt genau recht und Deutschland könnte somit aus dem bislang stark gefürchteten Brexit durchaus Profit schöpfen, immerhin könnte der nun unverhofft Jobs nach Frankfurt bringen.
Allerdings sieht sich die Stadt am Main mit Städten wie Paris, Amsterdam oder Dublin in Konkurrenz. In der französischen Hauptstadt etwa locken Steuervorteile, die auf deutschen Boden so nicht möglich sind. Fraglich bleibt allerdings, wie sich die politische Lage Frankreichs in den kommenden Jahren entwickelt. Die nationalistische Front National gewann in letzter Zeit starken Aufwind – würde sie zur regierenden Partei, will sich auch Frankreich aus der EU verabschieden. Hier gilt Deutschland aus Sicht politischer wie wirtschaftlicher Experten als sicherer Kandidat. International rücken aber auch Städte wie New York oder Hongkong in das Sichtfeld der Großbanken. Ob Frankfurt also das neue London wird, bleibt abzuwarten. 2017 wird sich zeigen, inwiefern die Metropole am Main tatsächlich vom Brexit profitiert.