Rhön. 150 Jahre nach der Ausrottung in Deutschland kehrt der Luchs auf leisen Pfoten in deutsche Wälder zurück. Am Donnerstag, den 24.04., in Hilders und Freitag, den 25.04.14, in Friedewald-Motzfeld berichtete Dr. Marco Heurich, Luchsexperte und Wildbiologe, in abendlichen Vorträgen, die durch das Biosphärenreservat Rhön initiiert wurden, über die Biologie des Luchses und die ersten Ergebnisse eines im Nationalpark Bayerischer Wald laufenden Forschungsprojektes zur Anzahl, Verbreitung und der ökologischen Bedeutung des Luchses.
Mit Hilfe eines Fotofallenmonitorings konnten insgesamt 24 den Wald durchstreifende Luchse festgehalten werden. Von diesen wurden 10 adulte Tiere mit Revier innerhalb des Nationalparks identifiziert. Bei der Untersuchungsfläche von 1170 km² (117 000 ha) ergibt sich unter der Berücksichtigung weiterer Faktoren eine Dichte von nur 0,87 Luchsen pro 100 km², wobei die Reviergröße der männlichen Luchse (auch „Kuder“) zwischen 150 und 400 km² liegt. Auffallend vielen Individuen werden wir auch in Zukunft folglich nicht begegnen, schon gar nicht in den Ortschaften, da die Tiere in der Regel sehr scheu sind. Dr. Heurich geht davon aus, dass der Luchs nur innerhalb von Großschutzgebieten überleben wird, da er außerhalb den Verfolgungen durch den Mensch in Form von Jagd und Vergiftung ausgesetzt ist, aber auch durch die heutige Landnutzung in seiner Verbreitung stark eingeschränkt ist.
Der Luchs ist etwa so groß wie ein Schäferhund und neben der auffälligen Zeichnung des gelb- bis graubraunen Fells eindeutig an seinem kurzen Schwanz mit schwarzer Spitze, dem breiten Kopf und den mit Pinseln besetzten Ohren zu erkennen. Die bevorzugten Reviere des „Pinselohrs“ sind große zusammenhängende Waldareale, die sich durch Strukturreichtum und dichtes Unterholz auszeichnen. Dies macht, laut Dr. Heurich, auch die Rhön zu einem potentiellen Ausbreitungsgebiet für den Luchs. Erste Luchs-Sichtungen wurden seitens des Publikums für die Region bestätigt und es liegen aktuell Nachweise durch Fotofallen für den Kreis Hersfeld-Rothenburg vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Tiere auf Wanderzügen aus dem Harz in die Gegend vorgedrungen sind. Im Harz wurden im Jahr 2000 24 Luchse angesiedelt, die sich erfolgreich vermehren und ausbreiten.
Dass einzelne Luchse zwischenzeitlich bis in die Rhön vorgedrungen sind, lässt auch der unbestätigte Verdacht des Risses eines Kalbes in einer Mutterkuhherde in Thüringen vermuten. Sowohl Dr. Heurich als auch Dr. Franz Müller, erfahrener Wildbiologe, halten den Luchs als Schadensverursacher in diesem Fall jedoch für unwahrscheinlich. Dr. Müller hierzu: „Warum liefert man mir das Kalb nicht zum Sezieren auf den Tisch?!“ Bedenken über die Auswirkungen des Luchses auf Nutz- und Wildtierbestände wurden in der an den Vortrag angeschlossenen Diskussion ausgiebig diskutiert. Die Jägerschaft bemerkt auch am Verhalten ihres Wildes, dass der Überraschungsjäger Luchs, der sich auf bis zu 20 m an seine Beute heranschleicht und dann blitzartig zuschlägt, in ihren Jagdgebieten umherstreift. Vorgebrachten Sorgen muss frühzeitig entsprochen werden, um eine Akzeptanz der Wiederansiedlung des Luchses in der Region auch unter Jägern, Landwirten und Grundbesitzern zu verstärken.
Trotz manch vorgebrachter Bedenken heißt die Rhöner Bevölkerung ihren „pinselohrigen“ Wiederkehrer als Sympathieträger und darüber hinaus als Indikator für ein intaktes Ökosystem willkommen. Der Luchs trägt als weiterer Baustein zur Aufwertung der Biodiversität der Rhön bei.