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„Augen, die geweint haben, sehen anders“

Fulda. Es mussten noch zusätzliche Stühle in den grünen Saal im Bonifatiushaus in Fulda geschafft werden, so zahlreich waren die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Vortrag von Generalvikar Professor Dr. Gerhard Stanke zum Thema: „Augen, die geweint haben, sehen anders“, einem  Satz, der dem Heiligen Augustinus zugeschrieben wird. Eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft Trauerhilfe Fulda – Christliches Netzwerk zur Trauerbegleitung.

Der Tod eines Menschen sei ein tiefer Einschnitt für die Hinterbliebenen, der besonders bei Ehepaaren, die lange zusammen gelebt hätten, einer Amputation gleich käme, so der Referent, der durch Trauergespräche und Angebote für Trauernde auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte. Nicht nur die Endgültigkeit des Todes präge, sondern Dinge wie Abschied vor dem Sterben oder vom Toten. Gerhard Stanke bezeichnete die Trauer um einen Verstorbenen auch als Trauer um das eigene „Ich“. Deshalb bräuchten Trauernde eine „Klagemauer“, wo sie über ihre Gefühle sprechen könnten und in ihrer Trauer ernst genommen würden.

Da Trauer individuell sei und die Bewältigung in Phasen ablaufe, müsse man Trauernden das Recht auf die je eigene Trauer zugestehen. Dabei verheimlichte Professor Stanke auch nicht, dass Trauer beispielsweise Wut auf den Toten, das Personal im Krankenhaus, andere Menschen oder Gott auslösen könnte, was man aber nicht moralisch bewerten dürfe. Wichtig sei für Trauernde die stützende und verständnisvolle Begleitung, die jedoch nicht immer sowohl im familiären Umfeld als auch im Freundeskreis oder dem Lebensumfeld erwartet werden könnte. Augen, die um einen geliebten Menschen geweint hätten, sähen eben die Lebenswirklichkeit anders. Sie setzten andere Schwerpunkte, würden neue Seiten in sich entdecken und Dinge, die wichtig gewesen seien, würden unwichtig. Trauernde könnten andere Trauernde besser verstehen, denn „Menschen, die keinen Verlust erlebt haben, können nicht wissen, wie es um Menschen steht, die einen Verlust erlebt haben“, formulierte der Referent.

Hilfe in der Trauerbewältigung könnten im ersten Jahr neben Gesprächen und Begleitung auch das bewusste Erleben von Tagen wie Geburtstag, Hochzeitstag oder besondere Feste sein. Darüber hinaus der Glaube, dass der/ die Verstorbene von Gott angenommen sei und bei ihm lebe. Im Namen der Arbeitsgemeinschaft dankte dessen Sprecher Winfried Möller für den einfühlsamen Vortrag und wies auf den ökumenischen Gottesdienst für Eltern, die ein Kind verloren haben am 08. Dezember um 15 Uhr in der Christuskirche hin.  (Text: Winfried Möller)

 

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