Fulda (cif). Armut macht krank – unter diesem Motto, zugleich dem Thema der Caritas-Jahreskampagne 2012, lud der Caritasverband für die Diözese Fulda kürzlich zu einer Fachtagung ein. 65 Teilnehmer waren im Fuldaer Bonifatiushaus zusammen gekommen, um sich mit dem omnipräsenten Thema „Armut“ – so Veranstaltungsorganisator Franz J Meyer, Referent Soziale Dienste der Fuldaer Caritas, auseinanderzusetzen.
In seiner Begrüßung ging Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch dann auch gleich auf die vielen Möglichkeiten ein, die auch in einem so reichen Land wie Deutschland bei inzwischen immerhin mittlerweile über 15 Prozent der Bevölkerung zu Armut führten. Langzeitarbeitslosigkeit, so Markus Juch gehöre zu den größten Armutsrisiken in Deutschland, aber auch Alleinerziehende oder Familien mit mehreren Kindern hätten oft finanzielle Probleme. Und wenn Geld gespart werden müsse, leide oft auch die Gesundheit – durch schlechtere Ernährung, unzureichende Wohnsituation, aber auch durch erhöhte psychische Belastungen und mangelnde soziale Teilhabe. Caritasdirektor Juch nannte sogleich auch einige Forderungen der Caritas, für die er sich als Vorsitzender der Hessen-Caritas in den Jahres 2013 und 2014 dann auch ausdrücklich persönlich einsetzen wolle: Unter anderen nannte er die Ermöglichung anonymer Arztbesuche für illegal in Deutschland lebende Menschen, Abschaffung von Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung, regulär finanzierte Straßenambulanzen für Wohnungslose sowie ein solidarisches Gesundheitssystem für alle Menschen in schwierigen Lebenslagen.
Hauptreferent war Prof. Dr. Gerhard Trabert von der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden, der selbst als Arzt viel mit Wohnungslosen arbeitet und auch immer wieder zu ärztlichen Auslandseinsätzen in Dritte-Welt-Ländern aufbricht. Er zeigte sich dankbar dafür, dass die Caritas sich mit diesem nach seinem Ermessen äußerst wichtigen Thema so intensiv auseinander setzt. Ohnehin wies er dem katholischen Wohlfahrtsverband ausdrücklich die Rolle zu, in der Diskussion mit den politischen Entscheidern anwaltschaftlich für die Schwachen und Benachteiligten einzutreten und in der Öffentlichkeit immer wieder für eine  solidarische Gesellschaft zu werben – zum Beispiel wenn es um den Zusammenhang von Armut und Krankheit gehe.
Diesen Zusammenhang unterstrich Prof. Trabert ausdrücklich und führte zum Beweis verschiedenste Beispiele an die er aus Ergebnissen von Forschung und Statistik herleitete. Besonders wies er darauf hin, dass Kinder, die in Armut aufwachsen, später als Erwachsene nachweislich häufiger krank sind. Zudem sinke die Lebenserwartung in den sozial schwachen Milieus gegenüber den besser Gestellten signifikant um acht (bei Frauen) bzw. zwölf Jahre (bei Männern). Eine große Rolle, so Trabert, spiele dabei auch die mangelnde soziale Anerkennung, die von Armut Betroffene erführen. Der Professor forderte in dem Zusammenhang einen Respektvollen Umgang mit den Menschen ein, die in Armut lebten: „Nur wer auf Augenhöhe miteinander umgeht, wird sich wirklich kennen lernen und kann positiv voneinander lernen!“
Zweiter Referent war der Fuldaer Bürgermeister Dr. Wolfgang Dippel, der die Handlungsstrategien zum Aufspüren und Bekämpfen von Armut in der Stadt Fulda darlegte. Dabei stehen, so der Kommunalpolitiker, die Sozialraumorientierung und die Netzwerkarbeit – auch mit der Caritas – im Mittelpunkt derzeitiger Ansätze. Auf Basis einer Analyse der sozialen Situation in der Stadt würden maßgeschneiderte Konzepte für bestimmte Zielgruppen umgesetzt. Dr. Dippel nannte als Beispiele die besonders finanzierte Sprachförderung in den Kindertagesstätten sowie Projekte wie EVA („Erziehung von Anfang an“) oder „Stadtteilmütter“ zum Vermitteln von „Gebrauchsanweisungen“ für ein Leben in Deutschland.
Der Fuldaer Hausarzt Dr. Thomas Vietor berichtete als dritter Referent aus seiner alltäglichen Arbeit. Er konstatierte, in der Tat schreite die Armut auch in Fulda sichtbar voran. Sparen durch Verzicht auf notwendige Arztbesuche ginge aber zu Lasten der Gesundheit, allen Menschen müsse der Zugang zum Gesundheitssystem ohne Barriere möglich sein. In dem Zusammenhang nannte Vietor  die Praxisgebühr, die nach seiner Erfahrung gar keine Lenkungsfunktion habe, die Armen allerdings vom Arztbesuch abhielte.
Dr. Vietor unterstrich des weiteren, dass vielen Menschen – auch dies eine Form der Armut –Â das Wissen um die Gesunderhaltung, um vernünftige Ernährung, um jahreszeitliche Kleidung u.v.m. völlig abhanden gekommen sei. Hier sah der Arzt einen brauchbaren Hebel, um Armut und Krankheit voneinander etwas zu entkoppeln. Ansonsten gelte für die Ärzte natürlich zeitnahe Terminvergabe ohne Frage, wo jemand versichert sei, und ohne Ansicht der Person: Wer krank ist, müsse zum Arzt kommen können, dies sei keine Frage.
Den Vorträgen schloss sich ein so genanntes World-Cafe an, bei dem das aktive Mittun der Tagungsteilnehmer gefragt war: An verschiedenen Tischen ging es um Aspekte der Armut im Zusammenhang mit Prekärer Beschäftigung und Niedriglohn, mit Migration, Gesundheit und Bildung, mit Wohnungslosigkeit sowie im Kontext mit der Kinderbetreuung. Hoch motiviert  formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich Forderungen an die Politik, damit Benachteiligungen für von Armut und Krankheit betroffenen Menschen abgebaut werden können. Den Caritasverband forderten sie auf, sich als Anwalt der Betroffenen in den politischen Gesprächen zu engagieren.
Armin Schomberg, Ressortleiter Soziale Dienste/Gemeindecaritas im Verband, zog zum Abschluss ein positives Fazit der Fachtagung, bedanke sich für die Impulse aus den Arbeitsgruppen und betonte, dass die Lobbyarbeit für Arme und die aktuellen Armutsprojekte des Verbandes weiter verfolgt werden müssen.