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„Ganz normal und doch besonders!“ Fachtagung der gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle zeigte Vielschichtigkeit des Themas Adoption auf

Hünfeld. Was ist Adoption? Auf jeden Fall ein sensibles Thema. Ein Thema, bei dem Glück und Leid ganz nah beieinander liegen. Ein Thema, über das man nicht (mehr) hinter vorgehaltener Hand spricht, sondern das in unserer Gesellschaft immer mehr zur Normalität wird. Wie vielschichtig das Thema „Adoption“ tatsächlich ist, wurde bei einer Fachtagung der gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle der Jugendämter der Landkreise Fulda und Hersfeld-Rotenburg sowie der Stadt Fulda deutlich.

Fotos: Max Colin Heydenreich

Die Leiterinnen der gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle, Ines George und Irmgard Plappert, hatten anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Vermittlungsstelle zu der Tagung in das St. Bonifatiuskloster nach Hünfeld eingeladen. Mehr als 60 Teilnehmer, darunter Kollegen aus anderen Adoptionsvermittlungsstellen, Mitarbeiter von Beratungsstellen, Vormünder, Richter des Familiengerichts, Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sowie Adoptiveltern und Adoptivbewerber, verfolgten die Vorträge und Erfahrungsberichte mit großem Interesse.

Vorab hatten Elke Künholz (Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Hersfeld-Rotenburg), Dr. Heiko Wingenfeld (Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Fulda) und Dr. Wolfgang Dippel (Bürgermeister der Stadt Fulda) an die Entstehung der gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle erinnert und den beiden Leiterinnen für ihre einfühlsame und konstruktive Arbeit gedankt. „Die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle ist eine Erfolgsgeschichte, die es wert ist, gewürdigt zu werden“, betonte Elke Künholz. Dr. Heiko Wingenfeld hob hervor, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, dass sich verschiedene Landkreise und eine Stadt gemeinsam um das Thema Adoption kümmerten. „Die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle war ein echtes Wunschkind“, sagte Dr. Wingenfeld und Dr. Dippel fügte hinzu, „dass der gemeinsame Weg auch in Zukunft weiter gegangen werden soll.“

Im Anschluss referierte die Juristin Iris Egger-Otholt, Leiterin der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz und Hessen, über die Entwicklung des Adoptionswesens in Deutschland. Sie warf einen Blick auf die Geschichte der Adoption, informierte über Auslandsadoptionen und verdeutlichte die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen. „Adoption ist ein lebenslanger Prozess“, betonte die Rechtsanwältin, „wir möchten deshalb, dass die Adoptionsbegleitung noch weiter ausgebaut wird.“

Wie wichtig die kompetente Begleitung nach der Adoption, aber auch die Vorbereitung auf eine Adoption ist, wurde deutlich, als Adoptiveltern beim Runden Tisch über ihre Erfahrungen berichteten. Da war von Höhen und Tiefen die Rede, von schlaflosen Nächten, Zweifeln, Sorgen oder „dreitägigen Schwangerschaften“, weil der lang ersehnte Moment viel schneller da war, als erwartet. Tatsächlich glich keine Geschichte der anderen. Und doch gab es einen großen gemeinsamen Nenner: das stets präsente Glück, der unbändige Stolz auf und die Liebe zu den Kindern. Michael Friedrich, Leiter der Volkshochschule des Landkreises Fulda und selbst Adoptivvater, hatte den Runden Tisch moderiert und treffend zusammengefasst: „Wir – Adoptiveltern und -kinder – sind ganz normal und doch besonders!“

Weil Adoption für Ines George und Irmgard Plappert eine echte Herzensangelegenheit ist, widmeten sie sich in ihrem Rück- und Ausblick nicht nur der trockenen Statistik, sondern auch der gesellschaftspolitischen Dimension von Adoption, die in vielen Fällen eine humanitäre Antwort auf die Zukunft- und Perspektivlosigkeit überforderter Familien sein kann.

So begleiten die beiden 52-Jährigen neben Adoptiveltern und Adoptivbewerbern auch die leiblichen Eltern sowie die Herkunftssuchenden. In den vergangenen fünf Jahren wurden laut Ines George insgesamt 374 Menschen begleitet, betreut und beraten. Jährlich verzeichnet die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle mehr als 60 Adoptionsprozesse. Seit 2007 konnten 26 Kinder – 16 aus dem Inland, zehn aus dem Ausland – zu neuen Eltern vermittelt werden. „Dabei waren die meisten Kinder zum Zeitpunkt der Vermittlung unter einem Jahr alt“, erklärte Ines George, “doch über die Vermittlung der älteren Kinder freuen wir uns ganz besonders.“ Darüber hinaus wurden 49 erwachsene Adoptierte bei der Suche nach ihrer Herkunft unterstützt.

Zudem stellen sich die Leiterinnen der Adoptionsvermittlungsstelle in ihrer täglichen Arbeit auch den aktuellen gesellschaftlichen Themen, wie beispielsweise Adoption in Lebenspartnerschaften, Leihmutterschaft sowie Babyklappe und anonyme Geburt. „Wenn es uns gelingt, Adoption als Chance für das Kind zu betrachten -  sowohl von der Seite der leiblichen Eltern als auch der Adoptiveltern – dann braucht es vielleicht weniger Babyklappen und weniger anonyme Geburten. Und wenn es uns gelingt, den Menschen, die das Beste im Sinn für ihr Kind entschieden haben, wertschätzend zu begegnen, dann erleben wir vielleicht, dass sich auch leibliche Eltern an so einem Tag wie heute eingeladen fühlen“, so Irmgard Plappert abschließend. (Dorit Heydenreich)

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