Fulda. Sie haben Walzer getanzt, sich ausgetobt bei Modern und Hiphop – und intensiv über Themen wie Konfliktlösung, Rollenverhalten und Sucht gesprochen. Die Jugendlichen aus der 9.Klasse der Mittelpunktschule Hilders hatten fünf Tage „Kribbeln im Bauch“ – so heißt das Tanzprojekt zur Sucht- und Gewaltprävention, das Tina Wienröder von der Fachstelle für Suchtprävention der Diakonie Fulda seit 2009 für 9. Klassen organisiert. Sie nennt es „Lebenskompetenztraining“. Die Jugendlichen sollen Zutrauen in ihre Fähigkeiten entwickeln, ihr Selbstwertgefühl stärken und auf Gewalt und Drogen verzichten.
Egal ob in Schlabberjeans oder im Abendkleid – konzentriert und ohne Scheu zeigen die Hildeser Schülerinnen und Schüler vor der Schulgemeinse, was sie an fünf Tagen im Studio 82 in Fulda gelernt haben. Lauter Applaus, die Jugendlichen strahlten. „Unglaublich, was für Energie die entwickelt haben“, sagt ihre Lehrerin Barbara Knopp-Hennemuth. Auch sie wurde für das Projekt zwei Tage geschult.
Insgesamt zwei Klassen haben dieses Jahr je eine Woche „Kribbeln im Bauch“ gespürt. Die Neuntklässler, der Hildeser Schule und die Schüler der Albert-Schweizer Schule in Neuhof, trainierten und tanzten zusammen, redeten mit ehemaligen Drogenabhängigen. Essstörung, Komasaufen und ausuferndes Computerspiel – auch das kam zur Sprache. Mehrere Tanzlehrer und ein Präventionsteam betreuten die Jugendlichen abwechselnd.
Manchmal fehlte Eltern das Verständnis für die Projektwoche, bedauert Tina Wienröder. „Dann heißt es, die Schüler sollen was lernen“. Aber dabei werde übersehen, wie wichtig soziales, kreatives Lernen und die Fähigkeit seien, mit den eigenen Gefühlen umzugehen – Grundbedingungen des Lernens überhaupt, findet Wienröder.
Eine Projektwoche kostet rund 2800 Euro. „Wenig Geld für das, was man erreicht“, sagt die Expertin von der Fachstelle für Suchtprävention. Eine Therapie etwa sei deutlich teurer. Unterstützt wird das Projekt von Jolly Dent, der AOK Hessen, Förstina Sprudel, der VR Genossenschaftsbank, dem Verein Zukunft-Bildung und der Bäckerei Happ. Wienröder: „Je mehr Sponsoren wir finden, desto mehr Wochen können wir anbieten“.
Mittlerweile haben rund 120 Schülerinnen und Schüler die bunte Mischung aus Tanz und Gespräch kennen gelernt, bilanziert Wienröder. 6 Projektwochen gab es bislang für 9 Schulklassen, überwiegend aus sozialen Brennpunkten der Stadt. 10 Lehrkräfte ließen sich schulen. Bei sechs öffentlichen Auftritten stellten die 120 Â Jugendlichen „Kribbeln im Bauch“ vor.
Das Projekt stammt aus Bremen und wurde dort von Margrit Hasselmann, vom Landesinstitut für Schule, Gesundheit und Suchtprävention in 2006 einwickelt. Dort wurde es 2007 und 2009 wissenschaftlich begleitet. Rund hundert Schülerinnen und Schüler ließen sich vor und sechs Monate nach der Tanzwoche befragen. Dabei stellte sich heraus, dass ein Drittel der befragten Jugendlichen nach der Projektwoche das Rauchen eingeschränkt oder ganz damit aufgehört hatte. Die Zahl derjenigen, die angaben, „im letzten Monat nicht betrunken gewesen zu sein“, hatte sich laut Erhebung der Universität Oldenburg nach einem halben Jahr verdoppelt. Mehr als zwei Drittel der Befragten sagten, sie hätten ein besseres Körpergefühl bekommen, viele fanden , sie seien selbstbewusster geworden. Auch zwei Jahre nach Projektende waren noch positive Verbesserungen bei den Teilnehmern festgestellt worden, berichtet Hasselmann.
Bei weiterem Interesse an dem Projekt ist der Ansprechpartner vor Ort: Fachstelle für Suchtprävention, Tina Wienröder, Diakonie Fulda 0661/8388219 wienroeder@diakonie-fulda.de