Fulda. Die Meisten sind gerade mal 14 bis 16 Jahre alt, kommen überwiegend aus Somalia, Äthiopien, Afghanistan oder Eritrea, sind traumatisiert und ganz alleine: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die ihre Eltern in tausenden Kilometern Entfernung verlassen haben, um ein Leben ohne Krieg und Verfolgung, dafür aber mit beruflicher und privater Perspektive führen zu können. Im vergangenen Jahr kümmerten sich die Jugendhilfeeinrichtungen und das Jugendamt des Landkreises Fulda um 35 dieser jungen Menschen, im Jahr davor waren es 33.
„Es ist kaum zu beschreiben, was in einem Kind vor sich geht, das unbegleitet, ohne Eltern oder Menschen, denen es vertraut, weitgehend auf unsicheren Wegen und nach zum Teil langen Irrfahrten Deutschland erreicht“, sagt Bernadette Mühlen, die beim Fachdienst Jugend, Familie, Sport, Ehrenamt der Kreisverwaltung als Sozialpädagogin tätig ist.
Die Flüchtlinge werden über die Clearingstellen Frankfurt und Gießen dem Landkreis Fulda zugeteilt. Im Gegensatz zu erwachsenen Flüchtlingen haben minderjährige Flüchtlinge einen Rechtsanspruch auf vorläufige Schutzgewahrung. Untergebracht werden die jungen Menschen unter anderem in Maberzell in einer anerkannten Einrichtung der Jugendhilfe. Das Jugendamt übernimmt die Aufgabe, den Flüchtlingen die notwendige Hilfe zur Integration zukommen zu lassen, und ein Mitarbeiter des Landkreises wird als Vormund bestellt.
„Die Jugendlichen sind sehr motiviert, die Sprache zu lernen. Nach einem Jahr ist meistens eine Verständigung schon ohne Dolmetscher möglich“, berichtet Najiba Kohestani-Dazeh, ebenfalls zuständige Sozialpädagogin. Zunächst besuchen die Flüchtlinge die Intensivklassen in Fulda, nach einem Jahr ist eine Teilnahme am Regelunterricht der Hauptschulen möglich. Jetzt geht es darum, sich neben schulischem Wissen auch Grundfertigkeiten des alltäglichen Lebens anzueignen sowie die fremde Kultur kennen zu lernen. Eine gute Möglichkeit zur Integration böten beispielsweise Sportvereine, erklärt Bernadette Mühlen.
Schule und Ausbildung stünden bei den Flüchtlingen hoch im Kurs, „in den Ländern, aus denen sie fliehen mussten, spielten diese Themen kaum eine Rolle, da ging es ums nackte Überleben“, sagt Kohestani-Dazeh. Von den zurzeit laufenden Hilfen nehmen sechs junge Menschen an den Abschlussprüfungen für den Hauptschulabschluss teil, eine weitere an der Prüfung zur Altenpflegerin. Zwei besuchen die höhere Fachschule, drei haben sogar schon einen Ausbildungsvertrag.
„Sie sprechen nicht von ihrer Flucht. Spricht man sie an, spürt man die Traurigkeit, dass es da irgendwo auf der Welt noch einen Teil ihrer Familie gibt“, schildert Kohestani-Dazeh die mitunter sehr emotionalen Begegnungen. Hinzu komme, dass die Jugendlichen sich zudem in der Pubertät befänden, hin und her gerissen würden von den eigenen Gefühlen und auf der Suche nach der eigenen Identität seien.
„Wichtig ist auch, dass die Flüchtlinge bei uns Positives erleben sowie Anerkennung und Wertschätzung erfahren“, so Mühlen. Die Kontakte blieben häufig auch noch bestehen, wenn die Jugendlichen von einst ihre Ausbildung absolvierten oder schon beruflich aktiv seien. „Wir lassen sie erst los, wenn sie alles beherrschen, um ihr Leben ohne Schwierigkeiten alleine meistern zu können“, ergänzt die Sozialpädagogin. Es sei eine Riesenleistung und verdiene jede Menge Respekt, sich Schritt für Schritt in ein fremdes Land zu integrieren.
Trotz der intensiven und liebevollen Betreuung durch den Landkreis können die Helfer den Flüchtlingen eines aber nicht ersetzen: Mutter, Vater, Bruder oder Schwester. Die leben weiter in einer ganz anderen Welt.