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Bronzezeitliches Schiffswrack bezeugt rege Handelsbeziehungen

Fulda. „Bronzezeit Alteuropas: Interaktion und Identität – Von Mykene bis Osthessen“. Mit diesem Titel hatte Professor Dr. Albrecht Jockenhövel sein Referat vor Mitgliedern des Fuldaer Geschichtsvereins überschrieben.  Darin schlug der ehemalige Leiter des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Universität Münster den weiten Bogen von den Hochkulturen des östlichen Mittelmeerraumes über die Küsten Spaniens, Frankreichs und Englands bis hinein in das mitteleuropäische Binnenland.

Baltischer Bernstein

Die Bronzezeit gilt auch als das goldene Zeitalter, in dem es zu weiträumigen Verbindungen quer durch Europa kam. Ein wichtiger Motor dieser Kontakte ist der Handel mit Zinn, das nur selten vorkommt, für die Bronzeherstellung aber unerlässlich ist.  Die Ladung eines bronzezeitlichen Schiffswracks bei Uluburun, vor der Südküste der heutigen Türkei, bezeugt Handelsbeziehungen, die den gesamten östlichen Mittelmeerraum sowie die Schwarzmeerküste umfassen. Zur Schiffsladung gehören unter anderem sogenannte Tierhautbarren aus Bronze, Zinnbarren und Barren aus blauem Glas, Ebenholz, ein Flusspferdzahn, ägyptische Skarabäen sowie Rollsiegel aus Mesopotamien. Außerdem wurde baltischer Bernstein in dem Schiffswrack gefunden, der Kontakte bis zum Nord- und Ostseeraum dokumentiert. Verschiedene Schwert- und Kesselformen belegen darüber hinaus einen Seehandel entlang der Atlantikküste, der vom Mittelmeergebiet bis hin zu den Küsten Englands reicht.

Mädchen von Molzbach

Mit dem Austausch von Gütern geht auch ein Austausch von Ideen einher. So bildet sich eine Ober-/Kriegerschicht heraus, die sich durch vergleichbare Attribute bzw. Statussymbole weiträumig zu erkennen gibt. Dazu gehören eine Bewaffnung mit Schwert und Schild sowie der vierrädrige Wagen. Gleichzeitig geben sich Ausstattungskreise zu erkennen, die einen Radius von 50 bis 70 Kilometern aufweisen. Zu diesen gehört die Fulda-Werra-Gruppe, die sich vor allem durch Brillennadeln, Halskragen, gerippte Armbänder und Radnadeln vom Typ Kelsterbach auszeichnet. Zwischen diesen Gruppen kommt es auch zu einem kleinräumigen Bevölkerungsaustausch. So weisen einige Frauengräber
Trachtelemente benachbarter Gruppen auf. Auch das sogenannte „Mädchen von Molzbach“ besitzt Schmuckstücke aus dem Obermaingebiet und ist vielleicht von dort durch Heirat nach Osthessen gelangt.

Die einzelnen Regionalgruppen haben nicht nur materielle Gemeinsamkeiten, sondern auch kulturelle. Die Fulda-Werra-Gruppe kann auch durch den Grabbau charakterisiert werden, wobei an den Zentralhügel weitere Anbauten angeschlossen werden, wie bei Queck oder im Fuldaer Stadtteil Trätzhof nachgewiesen werden konnte. Dabei bestehen zwischen der Fulda-Werra-Gruppe und der Lüneburger-Gruppe überraschende Parallelen.

Die Bronzezeit zeigt sich als eine Epoche im Spannungsfeld zwischen paneuropäischen Kontakten bei einer gleichzeitigen Bewahrung bzw. Herausbildung regionaler Charakteristika, und ist zumindest in diesem Aspekt von unserer heutigen Zeit gar nicht so verschieden.

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