Tann. „Um hierzulande Kultur zu erleben, kann man nach Fulda oder Bad Hersfeld, Meiningen oder Bad Kissingen fahren. Man erhält aber auch vor Ort gute Qualität, und das zu supergünstigen Preisen“, sagt Thomas Nüdling, der seit zehn Jahren federführend den Tanner Musiksommer organisiert. Immer mehr Menschen scheinen das zu erkennen: Im vergangenen Jahr wurde mit 5000 Zuhörern ein Rekord geknackt, nachdem die Besucherzahlen vor einigen Jahren noch bei zwei- bis dreitausend gelegen hatten. Thomas Nüdling, Vorsitzender des für den Musiksommer zuständigen Kirchenmusikalischen Ausschusses der Evangelischen Kirchengemeinde Tann, führt diese Steigerung auf das neue Konzept zurück: Zum einen wurde die Anzahl der Konzerte von etwa 30 auf die Hälfte reduziert, sodass nicht mehrere an einem Wochenende stattfinden.
Zum anderen wird versucht, ein breiteres Publikum anzusprechen. Anders als zu den Anfangszeiten vor über 40 Jahren gehören nicht nur klassische Sinfonie- und Chorkonzerte zum Programm, sondern auch Populäres – und Außergewöhnliches. Alle zwei Jahre finden Kinder- und Familienkonzerte statt, die Thomas Nüdling gemeinsam mit den beteiligten Ensembles selbst zusammenstellt. Das Motto des diesjährigen Musiksommers lautet „Grenzenlos“ und hat Thüringen zum Schwerpunkt. Ein Familienkonzert gibt es 2011 nicht, aber als besondere Veranstaltung die „TastaTour“: ein hessisch-thüringischer Orgelspaziergang am Sonntag, 25. September. In den Kirchen von Lahrbach, Tann, Motzlar und Geisa sowie an der ehemaligen Zonengrenze reihen sich von 11 bis 19 Uhr kostenlose Konzerte aneinander, die gemeinsam mit dem Rhönklub erwandert oder (nach Voranmeldung) per Kutschfahrt besucht werden können. „Darauf bin ich total gespannt“, sagt Thomas Nüdling.
Die TastaTour ist beispielhaft dafür, dass zahlreiche Institutionen zum Gelingen des Tanner Musiksommers beitragen. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde als Veranstalterin wird unterstützt von der Stadt Tann, der Evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck, der Mitteldeutschen Landeskirche, dem Bistum Fulda, dem Bischöflichen Kirchenmusikinstitut Fulda und dem Rhönklub. „Die Kirche in Tann sieht sich als Kulturträger mit einem Bildungsauftrag“, begründet der evangelische Pfarrer Frank-Nico Jäger das Engagement seiner Gemeinde. „Für mich war es eine große Ehre, 2008 als meine erste Amtshandlung in Tann den 40. Musiksommer eröffnen zu dürfen“, sagt der Pfarrer und bedankt sich bei Kirchenrat Johann Rüppel, einem seiner Vorgänger, bei Thomas Nüdling und den anderen Gremiumsmitgliedern für ihr großes Engagement. Auf der Sponsorenliste stehen ausnahmslos alle heimischen Betriebe. „Das zeigt, dass unsere Arbeit voll akzeptiert wird“, meint Sabine Ocklitz, die sich im Musiksommer-Ausschuss um die Finanzen kümmert. Wurde früher der Tanner Musiksommer finanziell auch vom Landkreis Fulda unterstützt, so erfolgt die Förderung nun über den Kultursommer Main-Kinzig-Fulda.
Schon während seines Musikstudiums war Thomas Nüdling beeindruckt, wie bekannt der Tanner Musiksommer überregional ist. Dies ist Johann Rüppel zu verdanken, dem es als Initiator seit 1968 immer wieder gelungen war, hochkarätige Musik-Ensembles in das Rhönstädtchen zu locken. Nach wie vor bietet der Musiksommer auch jungen Talenten ein Forum, was Rüppel ebenfalls ein wichtiges Anliegen war. „Der Musiksommer bringt nicht nur Musik und Kultur in die Rhön, sondern auch Weltoffenheit“, ergänzt Pfarrer Jäger. Auf seine Einladung hin war im Juni ein südafrikanischer Chor aufgetreten. Etliche Tanner, die Chormitglieder bei sich aufgenommen hatten, wollen den Kontakt fortsetzen. Am vergangenen Sonntag starten die Orgelmatinéén, die bis zum 28. August jeden Sonntag um 11 Uhr in der Tanner Stadtkirche beginnen. Dass in Tann nicht nur musikalisch einiges geboten wird, kann man bei der Matinéé am 21. August erleben: Thomas Nüdling spielt auf der Orgel Filmmusik, passend zum gleichzeitig stattfindenden Straßenmalfestival „Via pictura“ des Tanner Kultur- und Geschichtsvereins.
Foto: Nüdling