Fulda/Hanau/Kassel/Marburg. „Was Leben und Würde eines Menschen wert sind, hängt nicht davon ab, welche Rolle im Beruf jemand spielt und welches Einkommen auf dem Gehaltsbogen steht – die Würde als Mensch und der Wert eines Lebens sind davon ganz und gar unabhängig, sie sind uns von Gott gegeben.“ Dies betonte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen am Samstag, 1. Januar, beim traditionellen Neujahrsempfang im Fuldaer Priesterseminar. Der Mensch gehe nicht in dem auf, was er leiste. Der Oberhirte bezeichnete in seinem Schlusswort den Sonntag als ersten Tag der Woche und eine Gelegenheit, Priorität zu setzen. „Der Sonntag ist ganz und gar unbezahlbar. Ihn auszuhöhlen, gar auf ihn zu verzichten, nimmt dem Leben der Menschen mehr als noch so gute Verkaufszahlen je einbringen können.“
Fotos (28): Elisabeth Miller
Sonntag hat Verfassungsrang
Derzeit verbreite sich eine Mentalität, in der nur wirtschaftliche Gesichtspunkte gälten, betonte der Fuldaer Bischof. So gerate der Sonntag, an dem die Geschäfte ruhten und nichts zu verdienen sei, unter Rechtfertigungsdruck. „Er droht als gemeinsam gefeierter Ruhetag nachhaltig beschädigt zu werden“, zeigte sich Algermissen gerade auch wegen der zunehmenden sogenannten „verkaufsoffenen Sonntage“ überzeugt. Es werde darin die „Atemlosigkeit einer Gesellschaft, die sich selbst verloren hat“ sichtbar. Der Sonntag als Tag der Ruhe um des Menschen willen sei eine zentrale Errungenschaft, die ein hohes Gut mit Verfassungsrang darstelle und „keinen Einzelinteressen geopfert werden darf“. Wer nämlich den Sonntag und seine Zeit den Marktinteressen opfere, gebe Wesentliches von dem auf, „was uns erst eigentlich zu Menschen werden lässt“. Besonders Christen müssten für den Sonntag und seine Bedeutung aufstehen und dürften eigentlich einen verkaufsoffenen Sonntag nicht besuchen.
Dank an Gemeindemitglieder
Der Bischof sprach allen Menschen zwischen Bad Karlshafen und Frankfurt seinen Dank dafür aus, dass sie auch im vergangenen Jahr die fuldische Kirche auf dem Weg zu Gott und in seine Zukunft weitergebracht hätten. Algermissen nannte insbesondere die Verbände, Pfarrgemeinde- und Verwaltungsräte, den Katholikenrat, den Kirchensteuerrat, aber auch die Mitarbeiter in der Diözesanleitung. Generalvikar Apostolischer Protonotar Prof. Dr. Gerhard Stanke hatte zu Beginn des Neujahrsempfangs im Namen des Bischofs die anwesenden Gäste aus Kirche und öffentlichem Leben willkommen geheißen und Grüße von den Weihbischöfen Johannes Kapp und Prof. Dr. Karlheinz Diez übermittelt. Die Teilnahme zahlreicher Politiker aus Stadt und Landkreis Fulda wertete Prof. Stanke als einen „Ausdruck der Verbundenheit“ mit der Kirche von Fulda.
Wiedergewinnung verlorenen Vertrauens zentrale Aufgabe
Generalvikar Stanke stellte sodann heraus, dass das vergangene Jahr auch für das Bistum Fulda ein schweres Jahr gewesen sei. „Die Wiedergewinnung des Vertrauens, das durch vielfältige Fälle von sexuellem Missbrauch zerstört worden ist, wird eine zentrale Aufgabe der Kirche sein.“ Er bedauerte, dass in der Vergangenheit die Wahrung des eigenen Ansehens oft wichtiger gewesen sei als die Sorge um die Opfer. Die Kirche müsse an Gott erinnern und den Menschen dienen, wie es Jesus Christus selbst vorgelebt habe. Aus dem Geist des Evangeliums heraus müsse es eine demütige Kirche geben, die um ihr Versagen wisse und für die Menschen da sei. „Glaubwürdigkeit können wir gewinnen, wenn die Menschen sehen, dass es der Kirche um Gott und die Menschen geht“, so der Generalvikar weiter. Der Geist der Liebe Gottes sei in der Kirche lebendig; er müsse wichtiger sein als jede Selbstdarstellung.
Der Vorsitzende des Katholikenrats der Diözese Fulda, Richard Pfeifer (Biebergemünd-Kassel), nahm ebenfalls auf die Missbrachsfälle in der Kirche bezug und gab zu bedenken, dass viele Menschen ihr deswegen ihr Vertrauen entzogen hätten. Zu den Opfern gehörten immer auch ihre Familien und auch die Pfarrgemeinden, die mit diesen litten. Pfeifer mahnte eine konsequente Anwendung der neuen Mißbrauchsleitlinien an und betonte, dass jede Vertuschung inakzeptabel sei. Das verlorene Vertrauen in die Kirche müsse durch ein „uneingeschränktes Glaubwürdigsein“ zurückgewonnen werden. Trotz der Krise gebe es aber Grund zur Zuversicht, denn in den Pfarrgemeinden und Pastoralverbünden seien viele Menschen als „gute Geister“ aktiv. Der Katholikenratsvorsitzende erteilte auch den Versuchen mancher Politiker, einen laizistischen Staat zu schaffen, eine klare Absage. Denn die Kirchen leisteten einen „unschätzbaren Beitrag für sozial Schwache“, lebten Solidarität in der Gesellschaft vor und garantierten den Wert des Lebens.
Landrat Bernd Woide übermittelte, auch im Namen von Oberbürgermeister Gerhard Möller, für Landkreis und Stadt Fulda Neujahrswünsche an die Kirche und hob in seiner Ansprache hervor, dass bei allem wirtschaftlichem Optimismus viele „soziale Ängste“ der Menschen zu spüren seien, da viele ihrer Zukunft mit Unsicherheit entgegensähen. Durch Gesetzestätigkeit könne man diese Ängste wohl nicht nehmen, doch müsse der Staat darauf aus sein, bei seinen Bürgern Vertrauen zurückzugewinnen und, wie es auch die christliche Soziallehre vorgebe, dem Einzelnen nach den Prinzipien Personalität und Subsidiarität gerecht zu werden. In der Region Fulda sei man hier auf einem guten Weg, so der Landrat, der sich bei der katholischen Kirche für die gute Kooperation gerade sozialen Bereich bedankte.
Am Ende des Neujahrsempfangs gab Bischof Algermissen zwei päpstliche Ehrungen bekannt. Für ihr herausragendes ehrenamtliches Engagement wurde Liselotte Sorg aus Stadtallendorf-Niederklein mit dem Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“ ausgezeichnet. Ordinariatsrat Elmar Gurk, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Diözesancaritasverbandes, wurde von Papst Benedikt XVI. zum „Päpstlichen Ehrenkaplan“ (Monsignore) ernannt.
Liselotte Sorg, geboren am 10. August 1933, schied vor wenigen Wochen aus ihrer Tätigkeit als Vorsitzende des Katholischen Seniorenwerkes, die sie seit 1996 wahrnahm, aus. Über 42 Jahre hin war sie ehrenamtlich als Chorleiterin in den Kirchengemeinden Schöneck, Niederklein und Wanfried tätig und führte Jahrzehnte den Haushlat von Pfarrer Anton van’t Walderveen. 1993 erhielt sie den Ehrenbrief des Landes Hessen und die Ehrenurkunde des Bistums Fulda. Auch in der Bildungsarbeit für Behinderte und in der Frauenarbeit war Liselotte Sorg aktiv. Besondere Bedeutung hat für sie immer die Bildung alter Menschen gehabt, für die eine Lobby zu schaffen ihr stets ein Anliegen gewesen ist. Sie bot zahlreiche Seminare zu Psychomotorik und Gedächtnistraining an.
Monsignore Elmar Gurk, geboren am 5. Juni 1953 in Gudensberg, absolvierte nach dem Abitur 1973 an der König-Heinrich-Schule in Fritzlar sein philosophisch-theologisches Hochschulstudium in Fulda. Nach dem Empfang der Priesterweihe war er zunächst als Kaplan in Rasdorf, dann in Somborn tätig, ehe er 1981 Kaplan in St. Maria in Kassel wurde. 1982 wurde er zum Pfarrer in Ungedanken und gleichzeitig zum Verwalter der Seelsorgestelle St. Wigbert in Wabern ernannt. Am 1. August 1992 wurde ihm sodann die Pfarrei St. Elisabeth zu Fulda übertragen. Von 1995 bis 2002 war er Diözesanpräses der Kolpingfamilien in der Diözese Fulda. Im April 2009 wurde er von Bischof Algermissen zum Ordinariatsrat und zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Caritasverbandes für die Diözese Fulda e. V. ernannt. Seit August 2010 ist er Moderator des neuerrichteten Pastoralverbundes „St. Bonifatius Fulda“ ernannt worden. (bpf)