Rhön. Wer vom hessischen Ehrenberg ins benachbarte fränkische Oberelsbach mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangen will, der müsste (rein theoretisch) den Umweg über Fulda und Schweinfurt und damit eine stundenlange Reise für die nur rund zwölf Kilometer auf sich nehmen. Es kann auch anders funktionieren: Zum Beispiel einfach bei jemand ins Auto steigen, der diese Strecke sowieso mehrmals pro Woche oder täglich fährt. Michael Müller von der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön hatte deshalb die Idee, die erste digitale Mitfahrzentrale für den ländlichen Raum aufzubauen.
Herr Müller, wie ist diese Idee eigentlich entstanden?
Unser Ranger Hubert Heger musste vor einiger Zeit jeden Morgen seinen Sohn von Wüstensachsen nach Weyhers zur Ausbildung fahren, da es zwischen beiden Orten keine direkte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Ich habe mir damals gedacht: Eigentlich kann das nicht sein, denn es fahren ja viele diese Strecke, die bereit wären, eine andere Person in ihrem Auto mitzunehmen. Und die meisten Fahrzeuge sind leider nur mit einer Person besetzt und haben daher Platz genug für andere.
Für wen kommt aus Ihrer Sicht die digitale Mitfahrzentrale Rhön in Frage?
Die Buslinien des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Fulda bedienen Fulda, Künzell und Petersberg schwerpunktmäßig. Aber alle Querverbindungen sind gerade für die Bewohner der Gemeinden des Biosphärenreservats Rhön ohne eigene Fahrmöglichkeit nur schwer realisierbar. Von diesen Einschränkungen sind zum einen ältere Bürger betroffen, die nicht mehr im Familienverband leben; zum anderen aber auch Jugendliche, die ihre Lehrstelle erreichen müssen und eben nicht ihren Arbeitsort rund um Fulda haben. Auch Touristen sind für mich eine potentielle Zielgruppe der digitalen Mitfahrzentrale Rhön, die mit dem Zug bis Gersfeld anreisen und dann nicht mehr wissen, wie sie an ihr eigentliches Ziel kommen sollen.
Beschränkt sich die Mitfahrzentrale nur auf den Bereich Hessen?
Nein. Sie umfasst das Gebiet der Regionalen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Rhön und damit die fünf Rhönlandkreise Bad Kissingen, Fulda, Rhön-Grabfeld, Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis. In der ersten Ausbaustufe enthält sie 362 Orte. Dabei sind alle Ortsteile aufgeführt. In der endgültigen Ausbaustufe soll es dann möglich sein, Mitfahrgelegenheiten für die gesamte Bundesrepublik zu finden.
Wie funktioniert die digitale Mitfahrzentrale Rhön?
Jeder, der eine Fahrt eingeben will oder eine Mitfahrgelegenheit sucht, muss sich vorher mit seiner E-Mail-Adresse und einem Kennwort anmelden. Über eine Schnellsuchfunktion kann dann der gewünschte Abfahrtsort eingegeben werden, und alle bereits eingetragenen Zielorte erscheinen. Zusätzlich wird die jeweilige Fahrt auf einer Karte dargestellt, so dass der Suchende von vornherein den genauen Streckenverlauf einsehen kann. Der Kontakt kann dann über E-Mail hergestellt werden. Auf Wunsch wird der Anbieter einer Fahrt sofort per SMS informiert, dass für ihn eine neue Nachricht unter www.mitfahrzentrale-rhoen.de eingegangen ist.
Was kostet das Ganze?
Auf was sich beide Partner einigen, ist eine rein privatwirtschaftliche Angelegenheit. Uns interessiert das nicht; wir stellen lediglich die Plattform dafür zur Verfügung. Auch das unterscheidet die Mitfahrzentrale Rhön von anderen Mitfahrzentralen: Wir verdienen damit kein Geld. Bislang sind rund 12 000 Euro in den Aufbau der Internetplattform investiert worden – und zwar aus eigenen Mitteln im Rahmen der Länder übergreifenden Zusammenarbeit der drei Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats Rhön.
Was kann die digitale Mitfahrzentrale letztlich für das Biosphärenreservat Rhön leisten?
Es sind einige Tausend Leute, die beispielsweise täglich von Thüringen aus in den Raum Fulda pendeln. Wenn es uns gelingt, diesen Verkehr etwas einzudämmen, indem eben nicht nur eine Person im Auto sitzt, sondern vielleicht zwei oder drei, dann haben wir bereits etwas für die Einsparung von Emissionen getan. Aus meiner Sicht können sich aus der Mitfahrzentrale auch soziale Netzwerke entwickeln, nämlich zwischen Menschen, die sich vorher gar nicht kannten.