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Orgelmatinee im Fuldaer Dom mit Stephan Wehr

Fulda. Stephan Wehr, Kapellmeister und Professor für Dirigieren in Köln, war und ist ein sehr ernst zu nehmender Orgelvirtuose, zu dessen Lehrern Berühmtheiten wie Michael Schneider und Peter Planyavsky zählen. Er präsentiert sich in seiner Matinee am 2. Oktober, 12.05 Uhr, ausschließlich mit Werken von Reger, vor allem der gewichtigen Fantasie über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, das populärste Orgelstück Regers. Der Kostenbeitrag für die Orgelmatineen beträgt 3,50 € (ermäßigt 2,50 €).

Stephan E. Wehr

Erster Orgelunterricht bei Edgar Busching (Hassloch) und Leo Krämer (Speyer). Studium der Kirchenmusik und Dirigieren in Köln (Volker Wangenheim, Michael Schneider), Salzburg (Michael Gielen) und Wien (Peter Planyavsky). Mehrfacher Preisträger bei den Wettbewerben „Jugend Musiziert“, 1991 Musikpreis des „Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie e.V.“, Stipendiat des DAAD, 1. Preisträger „Orgelimprovisation im Gottesdienst“ Kapellmeisterlaufbahn als Solorepetitor an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf, als Studienleiter und Kapellmeister am Theater Hagen und als Musikalischer Oberleiter am Kleist Theater in Frankfurt (Oder).

Seit dem Wintersemester 2000 hauptamtlicher Dozent für „Opernensemble, Partienstudium und Korrepetition“ an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. 2006 Professor für die musikalische Leitung der Opernschule an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Meisterkurse an der Europäischen Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Montepulciano. Vielbeachtet ist seine Weltersteinspielung von Anton Schweitzers fünfaktiger Oper „Alceste“ bei NAXOS (8.555925-26). Zeitgleich ist dieses Werk von ihm bei Schott Musik International herausgegeben. Weitere CD-Einspielungen als Organist (u. a. Petr Eben, Sonntagsmusik) sind im Axel-Gerhard-Kühl-Verlag erschienen (AGK 12 216, AGK 12 221).

Zu den Werken:

Fünf leicht ausführbare Präludien und Fugen op. 56

Dass Reger die Sammlung op. 56 als „leicht ausführbar“ bezeichnete, lässt sich dreifach begründen: Erstens ist eine solche Untertreibung werbewirksam, zweitens dürfte Reger selbst als gewandter Pianist diese Stücke so eingeschätzt haben, und drittens sind die „umliegenden“ Choralfantasien und freien Werke jedenfalls von erheblich höherem Schwierigkeitsgrad. Obwohl wahrscheinlich erst 1904 entstanden, also nach den Variationen op.73, fügte Reger diese Stücke unter Opuszahl 56 in sein Werksverzeichnis ein.

Fantasie über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ op. 40,1 (1899)

Ein faszinierendes Stück (damals) moderner Musik eröffnet diese dritte Choralfantasie: Die progressive Harmonik verfügt über dramatische Hell-Dunkel-Kontraste; die Dynamik – ganz im Dienste des Expressiven – ist den Möglichkeiten der Orgel (Typ Sauer um 1900) ideal angepasst; die rhythmischen Konturen sind scharf profiliert – kurz, alle musikalischen Parameter sind in perfekter Balance.

Zum Rhythmischen noch eine Bemerkung: Man hört bis heute – zum Teil unter Berufung auf angebliche Leipziger Überlieferungen – die Läufe in T. 2 und 14f. als eine Art Raketenstart, den 8. Takt doppelt so schnell wie notiert und im Übrigen nicht selten auch die präzise notierten Rhythmen wie extra in T. 11ff. als Abfolge unkontrollierter Explosionen. Wer so spielt, unterstellt Reger, dass er nicht wusste, was er schrieb. Natürlich ist ein gewisses Rubato unabdingbar – was aber keineswegs dazu berechtigt, dem Chaos Tür und Tor zu öffnen.

Regers „Chaos“, wohl der programmatische Kern dieser Introduktion (die finstere Welt vor dem Erscheinen des Morgensterns Christus), ist durchaus strukturiert. Mit Achtel = 84 wird es dramatisch genug; dies ist etwa auch das Tempo für die erste Strophe, die in T. 17 mit stillem „Morgenstern“-Leuchten aus dem „Chaos“ hervorwächst. Erst in T. 37f. beschleunige man ein wenig, um dann in der zweiten Strophe dieses neue Tempo beizubehalten. Regers Tempovorschriften dürfen nicht so missverstanden werden, dass sie den vorhandenen Notentext potenzierten; sie beschreiben vielmehr in Worten, was in den Noten bereits steht.

Ein Beispiel: Die Tonleiter in T. 14f. soll nicht auch noch „quasi vivacissimo“ gespielt werden, sondern sie wirkt gerade deshalb „gleichsam äußerst lebhaft“, weil Reger sie in Zweiunddreißigstel notierte. Die dritte Strophe war in der Erfassung ein etwas blasser Orgelchoral; auf Straubes Anregung hin schrieb Reger dann die viel schönere Zweitfassung mit dem kolorierten Cantus firmus, die außerdem überzeugend in die vierte Strophe hinüberführt. In ihr entfaltet sich Regers poetisierende Kontrapunktik in völliger Ungezwungenheit – aller bloß „zünftiger“ Organistenstil ist überwunden.

Ein geheimnisvoller Halbschluss bildet in T. 121 eine deutliche Zäsur. Es folgt ein kompositorisches Kolumbus- Ei, an dem Reger bis hin zu seinen Mozart-Variationen op. 132 immer wieder seine Freude haben sollte. Bei Mendelsohn (Ouverture zum Paulus) und Rheinberger (Finale der 3. Orgelsonate) war vieles davon vorgeformt: Ein scheinbar völlig selbstständiges Thema bildet zunächst die Grundlage einer regelrechten Fuge, wird jedoch dann – überraschend, aber überzeugend – mit einer oder mehreren Choralzeilen kombiniert. So auch hier: Ab T. 151 gesellt sich die Schlussstrophe („Zwingt die Saiten zu süßem Klang“ – wir sind noch im Zeitalter der „verbesserten“ Choraltexte!) zur Fuge – der doppelte Kontrapunkt feiert Triumphe.

Orgelmatinee am Samstag, 2. Oktober 2010 um 12.05 Uhr

Max Reger (1873-1916)

  • Präludium und Fuge G-Dur op. 56 Nr.3
  • Scherzo op. 47 Nr. 4
  • Canon op. 47 Nr. 1
  • Fantasie über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ op. 40 Nr.1

An der Domorgel: Stephan Wehr, Köln

Weitere Informationen zu den Orgelkonzerten im Fuldaer Dom finden Sie unter www.orgelmusik.bistum-fulda.de.

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