Gießen. „Biomasse findet im ländlichen Raum statt, nicht in der Stadt!“, rief Regierungspräsident Dr. Lars Witteck den über einhundert Besuchern des dritten Bioenergie-Forums in der Gießener Kongresshalle zu. Er unterstrich damit die besondere Herausforderung und gleichzeitig auch Chance, die die Biorohstoffressource direkt vor der mittelhessischen Haustür böte. Es gelte nun, möglichst bald von der Konzeptebene zur Umsetzung zu gelangen. Zuvor hatten bereits die Gießener Landrätin Anita Schneider und der Geschäftsführer der Bioenergie-Region Mittelhessen, Peter Momper, auf die wachsende Bedeutung der Erneuerbaren Energien und deren wirtschaftliches Potential hingewiesen.
Dass sich die Bioenergie-Region Mittelhessen etabliert hat, zeigte ein Blick ins Auditorium: Neben Regierungspräsident Dr. Witteck und Landrätin Schneider nahmen außerdem der Erste Kreisbeigeordnete des Vogelsbergkreises, Gerhard Ruhl, zahlreiche Bürgermeister aus den beiden benachbarten Landkreisen, Vertreter der heimischen Energieversorger und der Universität sowie Unternehmer aus dem mittelhessischen Raum an der Veranstaltung teil.
Die zentrale Frage des Abends war dabei die zukünftige Struktur des regionalen Biomasse-Prozesses. Wie Momper gleich zu Beginn ausführte, ist die Bioenergie-Region Mittelhessen in ihrem Projektrahmen bis 2012 befristet. Träger des Projekts sind die beiden Landkreise Gießen und Vogelsberg sowie deren Regionalentwicklungsorganisationen GießenerLand und Vogelsberg Consult. Die operative Durchführung liegt bei der Klimaschutz- und Energieagentur Mittelhessen (KEM) mit Sitz in Heuchelheim. Doch wer nachhaltig versuche, regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen, brauche „viel Geduld und die Bereitschaft, dicke Bretter zu bohren“, hob Peter Momper in seinem Statement hervor. Es brauche einen „Kümmerer“, denn man müsse über die Förderperiode hinausdenken. Dazu sei ein politischer Konsens nötig, um dieses Thema auch in Zukunft mit den nötigen regionalen Strukturen aktiv voranzubringen.
Unterstützung erhielt der Geschäftsführer bereits zuvor durch Anita Schneider. Die Landrätin des Landkreises Gießen unterstrich in ihrem Grußwort die Notwendigkeit, regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen. „Doch gerade der Aufbau eines tragfähigen Gebildes braucht verbindliche Strukturen“, so Schneider. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken müsse man jetzt handeln und den Bereich der Erneuerbaren Energien entscheidend voranbringen.
Regierungspräsident Dr. Lars Witteck wies in seinem Beitrag auf die Vielzahl an Konzepten von Bund, Land und einzelnen Landkreises hin. Auch das Regierungspräsidium arbeite an einem regionalen Energiekonzept für Mittelhessen. Der große Unterschied sei jedoch, dass das mittelhessische Konzept durch den Beschluss der Regionalversammlung für die fünf Landkreise, drei Oberzentren und 101 Kommunen verbindlich sein werde. Und das sei auch nötig: Schließlich soll Mittelhessen bis zum Jahr 2020 exakt 33 Prozent seines Energiebedarfs aus Bioenergie decken. Laut Witteck „ein sehr ehrgeiziges Ziel“, stünde doch keine Küste mit Off-Shore-Windparks zur Verfügung, an denen man sich als Kommune einfach beteiligen könnte. Daher sei es nun wichtig, „möglichst schnell die Konzeptebene zu verlassen und in die Umsetzung zu gehen“, so der Regierungspräsident. Er betonte in diesem Zusammenhang die große Chance, die der Bereich der Erneuerbaren Energien für Mittelhessen bietet. Gleichzeitig kritisierte er, dass der ländliche Raum zwar alle Lasten dieses Prozesses trage, aber aus der Metropolregion hierfür keinerlei Ausgleich zu erwarten sei. Witteck sieht hierin eine Ungerechtigkeit, die es zu verändern gelte. Abschließend forderte er die übrigen mittelhessischen Landkreise auf, „die Rolle des abwartenden Zuschauers zu verlassen und dem vorbildlichen Beispiel der Landkreise Gießen und Vogelsberg zu folgen“. Er kündigte an, dass seine Behörde die weitere Vergrößerung der Bioenergie-Region unterstützen werde, sofern dies gewünscht sei.
Wie eine nachhaltig angelegte Organisationsstruktur im Bereich der Erneuerbaren Energien aussehen kann, zeigte der Geschäftsführer der Handwerkskammer Freiburg, Wolfram Seitz-Schüle. Bundesweit genießt Freiburg den Ruf einer „Green City“. Was dafür getan werden musste, welche Wertschöpfungspotentiale existieren und wie diese sowohl ökonomisch aber auch wissenschaftlich fundiert gestaltet werden können, zeigte Seitz-Schüle in seinem Vortrag auf. Wichtig sei es, alle Bevölkerungsgruppen in diesen Prozess zu integrieren. Finanziert werden die unterschiedlichen Projekte ausschließlich mit regionalem Kapital von Kommunen, Banken, Energieversorgern und den Kammern. Auf Gelder der Europäischen Union und des Bundes werde bewusst verzichtet. „Will ich regionale Wertschöpfung erreichen, brauche ich auch einen regionalen Invest – und zwar nicht nur bei den Erneuerbaren Energien, sondern bei jedem Vorhaben und in allen Bereichen!“, so der Freiburger Geschäftsführer.
Der abschließende Höhepunkt des Abends bildete die Auszeichnung von sieben neuen Partnern der Bioenergie-Region Mittelhessen. Durch die Schaffung einer breitgefächerten Partnerstruktur soll das Bewusstsein für den Erneuerbaren-Energien-Bereich weiter gestärkt werden. Die neuen Akteure sind die Kommunen Herbstein, Romrod und Schotten (Vogelsberg), Fernwald (Gießen), Außerdem die Max-Eyth-Schule Alsfeld und die beiden Unternehmen ZR Holzrecycling GmbH und FLK Löffler, zwei Holzhackschnitzelhersteller aus den beiden Landkreisen. Alle neuen Partner sind sogenannte Best-Practice-Beispiele für den innovativen Umgang mit erneuerbarer Energie und Energieeffizienz.
Im Anschluss an den offiziellen Teil des Forums stand allen Besuchern im Foyer der Gießener Kongresshalle ein Markt der Möglichkeiten zur Verfügung, auf dem sich Unternehmen der Branche mit ihren Angeboten präsentierten.
Weitere Informationen zur Bioenergie-Region Mittelhessen sind bei Anette Kurth, erreichbar unter Telefonnummer (0641) 9698-517 oder per E-Mail an info@bioenergie-region-mittelhessen.de, sowie im Internet unter www.bioenergie-region-mittelhessen.de erhältlich.