Written by 6:09 Alle Nachrichten

Hausbesuche – von Bischof Heinz Josef Algermissen

Fulda. „Warum kommt der Pfarrer nicht?“ Diese Frage höre ich bei den Gesprächen in den Gemeinden unseres Bistums im Rahmen meiner Visitationen immer wieder. Und tatsächlich: Obwohl Hausbesuche zu den Pflichtaufgaben aller Priester gehören, sie theologisch und biblisch gut begründet sind, als missionarisch effektiv gelten und erwartet werden, gehört die Visite der Gemeindeglieder durchaus nicht immer zu ihren Lieblingsaufgaben. Pfarrer genießen zwar eine große Gestaltungsfreiheit in ihrem Beruf, aber sie haben durchaus Pflichtaufgaben. Dazu gehören, wie ich es häufig in Erinnerung bringe, auch die Hausbesuche.

Ich weiß, dass das Arbeitspensum der Priester in den letzten Jahren zugenommen hat. In meinem Schlusswort am Diözesantag im Juli letzten Jahres (03.07.2009) in Fulda habe ich es zur Sprache gebracht und gebeten, in den Gemeinden und Pastoralverbünden darüber nachzudenken: „Priester, Diakone und Gemeindereferentinnen und -referenten können nur um die Gefahr des Zusammenbruchs andauernd zusätzliche Aufgaben übernehmen. Der Weg hin zu einer konzentrierten Pastoral… zieht Richtungsentscheidungen im Blick auf Vorrangigkeiten und Nachrangigkeiten sowie verlässliche Standards in der Pastoral nach sich.“

Welcher Priester hat unterdessen mit seinem Pfarrgemeinderat und seinem Verwaltungsrat darüber ein Gespräch begonnen?

Zu den Vorrangigkeiten der Seelsorger gehört für mich fraglos der Hausbesuch. Ich empfehle den Pfarrern deshalb ein professionelles Zeitmanagement nach dem Motto: „Nicht reagieren, sondern strukturieren“. Also einen Vormittag oder Abend pro Woche strikt für Besuche reservieren. Solcherart Disziplin hilft auch, die psychologische Barriere zu bekämpfen. Denn bei Hausbesuchen sitzen wir Priester alle ohne Konzept da, müssen spontan reagieren, auch mal schweigen, müssen den „Heimvorteil“ den Besuchten überlassen, die uns vielleicht bohrend mit kritischen Fragen konfrontieren.

Der heutige Mensch hat ein ungestilltes Bedürfnis nach Ernstnehmen seiner Person und Individualität. Das ist der Grund für die Nachfrage und der psychologische Ansatzpunkt des Hausbesuchs. Jemand in seinem Eigenen aufsuchen bedeutet schon, ihn als Person aufsuchen, nicht als ehrenamtliche Arbeitskraft, Geldspender oder „Mitglied“.

Der seelsorgerliche Hausbesuch hilft mit, dass das Vorwort der Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (Gaudium et spes, Nr. 1) nicht zum frommen Wunschtraum wird: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Zwar sind die mit einem regelmäßigen Besuchsdienst verbundenen Herausforderungen durchaus anstrengend. Aber wer sie annimmt, wird belohnt.

Visited 1 times, 1 visit(s) today
Close