Schönau. Es war noch richtig kalt in der Rhön, und auch die Fußballweltmeisterschaft war noch Wochen entfernt, als Anna-Lena May aus Schönau an der Brend nach Südafrika flog, um ein viermonatiges Praktikum im Partner-Biosphärenreservat „Kruger to Canyons“ zu absolvieren. Vor kurzem setzte der Flieger wieder in Frankfurt auf. „Begeistert ist fast nicht der richtige Ausdruck; Südafrika ist einfach ein atemberaubendes Land“, sagt sie heute rückblickend.
Schon seit ihrer frühen Jugend wollte sich Anna-Lena in einem sozialen Projekt in Afrika engagieren. Jetzt konnte ihr Wunsch Wirklichkeit werden: Eine soziale Initiative nennt sich nämlich „Hlokomela“ und wird von insgesamt 49 Farmen im Biosphärenreservat „Kruger to Canyons“ getragen, dem Partner-Biosphärenreservat des bayerischen Teils des Biosphärenreservats Rhön. Hierbei geht es besonders um die Verbesserung der sozialen Bedingungen für die in der Saison bis zu 8 500 beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen. Unter anderem betreiben die Farmen ein Gesundheitszentrum. Krankheiten wie HIV (Aids) oder Tuberkulose sind Schwerpunkterkrankungen, die dort kostenfrei behandelt werden.
Darüber hinaus gibt es einen großen Öko-Kräutergarten, der an eine Zitrusfarm angeschlossen ist. Arbeiter mit gesundheitlichen Problemen werden zum einen regelmäßig kostenfrei mit diesen (Heil-)Kräutern und mit frischem Gemüse versorgt, zum anderen wird ein Teil der Ernte vermarktet, um wieder Geld in das Projekt investieren zu können. Hinzu kommen Bildungsprogramme für eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise für die Arbeiter und Arbeiterinnen, die während der Saison oftmals viele Monate von ihren Familien entfernt auf den Farmen leben. Auch geht es um Anregungen zur sinnvollen Freizeitgestaltung, in erster Linie um gemeinsamen Sport und gesunde Bewegung. „In diesem komplexen agro-sozialen Projekt habe ich mitgearbeitet und immer wieder ganz besondere Begegnungen mit so netten und herzlichen Menschen erlebt“, sagt Anna-Lena May.
Drei Monate hat sie gemeinsam mit den Arbeiterinnen und Arbeitern Kräuter geschnitten und nach Bestellung abgepackt, die an die umliegenden Restaurants, Supermärkte und Lodges geliefert werden. Bei der täglichen Arbeit im Garten wurde immer der Leitspruch der Partnerschaft gelebt: „Doing together – Learning together“, um voneinander zu lernen. Auch an der Herstellung so genannter „Duftkräuter-Tierchen“, vergleichbar mit den bei uns bekannten Duftkissen, war die Schönauerin beteiligt. Außerdem war sie aktiv an einem weiteren Sozialprojekt in einem Township engagiert. „Dort gibt es ein Gebäude, das einen Kindergarten und ein Aidsprojekt beherbergt. Wir haben dort gemeinsam einen Garten angelegt. Auch eine Bewässerungsleitung gibt es jetzt – es war das erste Mal, dass ich versucht habe, zu löten – und es hat geklappt“, erzählt Anna-Lena. Die Menschen im Township wissen jetzt auch, wie ein richtiger Kompost angelegt wird.
„Das Bestreben von Anna-Lena May, sich im Hlokomela-Projekt einzubringen, hat bestens geklappt. Ihre Kenntnisse aus der Landwirtschaft und aus dem Bio-Betrieb ihrer Familie haben ihr dabei geholfen“, sagt die stellvertretende Leiterin der bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, Dr. Doris Pokorny, die sich von Anfang an für das Praktikum im Partner-Biosphärenreservat eingesetzt und auch wichtige Kontakte dorthin vermittelt hatte. Das Praktikum habe Anna-Lena May die nahezu einmalige Möglichkeit gegeben, in die Welt der Schwarzen und Weißen gleichermaßen einzutauchen. Auch sei ihr Aufenthalt „ein Spagat zwischen Vier-Sterne-Lodge und Township“ gewesen, also eine Vielfalt an Erlebniswerten.
„Die Partnerschaft dient dem gegenseitigen, interkulturellen Lernen auf gleicher Augenhöhe. Für uns als Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats war Anna-Lena eine Botschafterin der Rhön. Gleichzeitig konnte sie sehr viel von den Menschen und ihrer Lebensweise und -einstellung in Südafrika lernen“, hebt Dr. Doris Pokorny hervor. Auch im südafrikanischen Biosphärenreservat Rhön sei man froh gewesen, dass dieses Praktikum zustande kam. „Wir planen deshalb, diesen begonnenen Austausch in Form von Praktika gegenseitig fortzuführen.“ Pokorny wertet den Aufenthalt von Anna-Lena May als wichtigen Impuls für die Partnerschaft zwischen beiden befreundeten Biosphärenreservaten. Innerhalb des Gartenbauprojekts habe die junge Frau aus Schönau viele Abläufe optimieren können. Außerdem habe sie einen Empfehlungsbericht geschrieben, um weitere Verbesserungen beim Anbau der Kräuter zu erzielen. Das reiche bis hin zum Anbau spezieller Kulturen, die zukunftsfähig sind. Einen wesentlichen Schwerpunkt in ihren Empfehlungen habe sie auf die Ausweitung des Ökolandbaus gelegt.
Das Praktikum von Anna-Lena May bestand jedoch nicht nur aus Arbeit. „Ich hatte die Gelegenheit, die Weite des Landes und die Schönheit der Landschaft zu genießen“, schwärmt sie. Unter anderem war sie auch am „Gods window“, einem Berg, der eine herrliche Aussicht erlaubt und der aus dem Film „Die Götter müssen verrückt sein“ bekannt ist. Insgesamt vier Mal hielt sie sich im Krüger-Nationalpark auf und konnte dort die atemberaubende Tiervielfalt hautnah erleben. Beeindruckend sei auch der Besuch eines Rehabilitationszentrums für Tiere gewesen, die Verletzungen durch Autounfälle oder durch Wilderei haben und langsam wieder in die Natur zurückgeführt werden. „Ein echtes Erlebnis war das Nachhaltigkeitsfestival, bei dem es ein großes kulturelles Angebot und die ganze Bandbreite von Solaranlagen bis hin zum Biolandbau gab“, berichtet Anna-Lena May.
Einen hohen Stellenwert in Südafrika gilt dem Sport, und hierbei insbesondere dem Fußball. Die sportliche Betätigung in Form von Wettkämpfen trägt in erster Linie zur sinnvollen Freizeitbeschäftigung und damit zur Minimierung der Kriminalität bei. Mit Hilfe von Spendengeldern, die ihre deutschen Freunde zusammen getragen hatten, konnte Anna-Lena May zwei komplette Fußballausrüstungen an ein Frauen- und ein Männer-Team übergeben. Auf ihnen steht „Doing together – learning together“, was wie bekannt das Motto der Partnerschaft zwischen beiden Biosphärenreservaten ist.
Und auch noch eines begeisterte Anna-Lena May: „Die Mitmenschlichkeit ist noch nicht verloren gegangen. Wenn es Missverständnisse oder Probleme gibt, dann wird so lange darüber gesprochen und Zeit genommen, bis sie ausgeräumt sind.“
„Zum Abschluss dieser wunderschönen erlebnisreichen Zeit möchte ich mich noch einmal ganz herzlich für die Vermittlung bei Dr. Doris Pokorny und allen aktiven Menschen dieser Partnerschaft bedanken, ohne diese wäre das Ganze so nicht möglich gewesen“, hebt Anna-Lena May hervor.