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Rita Kohlmann erhielt in Béthune die Medaille des europäischen Sterns

100526_KriegsgefangeneHünfeld/Béthune. Das Jahrestreffen der ehemaligen französischen Kriegsgefangenen des Lagers Hünfeld in Béthune bei Lille stand unter besonderen Vorzeichen. Erstmals konnte keiner der hochbetagten ehemaligen Kriegsgefangenen selbst am Treffen teilnehmen. Pierre Cornue hatte seine Teilnahme kurzfristig absagen müssen, nachdem seine Frau kurze Zeit zuvor gestorben war. Weitere noch lebende Kriegsgefangene sind angesichts ihres hohen Alters nicht mehr reisefähig.

Dennoch hielten die Witwen, Kinder und Enkel an dieser Tradition fest. Gastgeber war in diesem Jahr Lucette Flechaux, die Tochter von Lucien Legantier, die nach Béthune in die Nähe von Lille unweit der Kanalküste eingeladen hatte. Wie in jedem Jahr nahm auch eine Hünfelder Delegation an diesem Treffen teil. Ihr gehörten neben Bürgermeister Dr. Eberhard Fennel und seiner Gattin Rita auch Lothar Bentler und seine Frau Christa Weigand-Bentler sowie Rigobert Gutmüller, Heidi Vollendorf sowie die Vorsitzende der Rita und Bernhard Kohlmann-Stiftung, Rita Kohlmann, mit ihrer Tochter Claudia Scholl-Kleinfelder, ihrem Ehemann Dieter Kleinfelder und Enkeltochter Lena.

Bürgermeisterin Sylvie Barchet empfing die Teilnehmer des Treffens in ihrer Gemeinde und hatte für Rita Kohlmann noch eine besondere Überraschung parat. Sie verlieh ihr gemeinsam mit Bürgermeister Dr. Fennel den europäischen Stern für aufopferndes ziviles und militärisches Engagement in Form der Ehrenmedaille in Bronze der Gesellschaft der Mitglieder des europäischen Sterns. Daniel Savin, Schwiegersohn des schon verstorbenen Kriegsgefangenen Maurice Olivier, hatte diese besondere Auszeichnung angeregt.

Die Rita und Bernhard Kohlmann-Stiftung, die von den Hünfelder Eheleuten gegründet worden war, hat sich zum Ziel gesetzt, dass Andenken an die ehemaligen französischen Kriegsgefangenen zu wahren und damit einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten. Unter anderem hatte die Stiftung auf dem Alten Hünfelder Friedhof ein Ehrenmal für jene Gefangene errichtet, die ihre Zeit der Lagerhaft mit dem Leben bezahlen mussten. Weiterhin wurde eine umfangreiche Dokumentation zusammen gestellt, die im Hünfelder Konrad-Zuse Museum mit Stadt- und Kreisgeschichte zu sehen ist.

Bürgermeister Dr. Eberhard Fennel beglückwünschte Rita Kohlmann zu dieser herausragenden Ehrung und dankte ihr für das außergewöhnliche Engagement, das in der Familie Kohlmann Tradition habe. Bereits ihr Schwiegervater hatte sich während der Kriegszeit oft unter großen Gefahren für die französischen Kriegsgefangenen eingesetzt. Das Haus der Kohlmanns in Hünfeld hieß unter den Gefangenen seinerzeit „La maison de bon dieu“ (Haus des guten Gottes).

Die ehemaligen französischen Kriegsgefangenen des Hünfelder Lagers treffen sich bereits seit Anfang der Fünfziger Jahre jedes Jahr in einer anderen französischen Stadt. 1962 fand dann das erste Treffen in Hünfeld statt, denen bis nach dem Hessentag 2000 viele weitere folgen sollten. Bürgermeister Dr. Fennel betonte, dass dieses Treffen sicherlich eine Zäsur darstelle, da keine Kriegsgefangenen mehr selbst teilnehmen konnten. Um so mehr sei anzuerkennen, dass die Kinder und auch die Enkel an dieser schönen Tradition festhielten, die sicher einen besonderen Stellenwert in der Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen habe. Eine Begegnung am Rande des Treffens unterstrich dies in besonderer Weise.

Die Tochter eines Kriegsgefangenen umarmte Rita Fennel und den Bürgermeister und betonte dabei, dass ihr Großvater im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland gekämpft habe, ihr Vater im Zweiten Weltkrieg und die Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen in einem freien Europa nun dafür sorge, dass ihre Kinder nie wieder die Waffen gegeneinander erheben müssten. Für Rita Kohlmann und ihre Familie dankte die Enkeltochter Lea Kleinfelder für die besondere Auszeichnung ihrer Großmutter. Bürgermeister Dr. Fennel überreichte seiner Amtskollegin Sylvie Barchet aus Béthune ein Kunstdruck mit einem Hünfelder Motiv.

Auf dem Programm der Begegnung stand auch ein kleines touristisches Programm. So unternahmen die Teilnehmer eine gemeinsame Ausfahrt entlang der Küste über die Caps Blanc Nez und Griz Nez abends trafen sich die deutschen und französischen Teilnehmer zu einer Filmvorführung über das Treffen 2009. Den Film hatte Hans Beuting zusammengestellt. Auch das Grubenmuseum „Lewarde“, das eindrucksvoll die lange Bergbautradition der Region beschreibt, wurde besucht. Die Besonderheit dieses Museums besteht darin, dass in einer Halle über Tage die perfekte Illusion eines Kohlebergwerks nachgebaut wurde. Das Treffen schloss mit einem Empfang im Rathaus von Mont-Bernanchon ab, dem ehemaligen Wohnort des früheren Kriegsgefangenen Lucien Legantier, und einem Besuch an seinem Grab. Nach einer gemeinsamen Messe in Robecq traten die Teilnehmer dann die Heimreise an.

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