Vogelsbergkreis. „Wer sich aktiv mit den Vorzügen unserer demokratischen Ordnung auseinandersetzt, ernst genommen wird und auch Beteiligung üben kann – der ist weit weniger anfällig für extremistische, demokratie- und freiheitsfeindliche Einstellungen. Dies gilt insbesondere für Jugendliche.“ Diese Auffassung vertritt Landrat Rudolf Marx (CDU) und freut sich über den überaus erfolgreichen Verlauf des Demokratieprojekts „Vielfalt tut gut“.
An 90 Standorten in Deutschland gibt es solche Projekte, die vom Bundesjugendministerium ins Leben gerufen worden waren. 2008 und 2009 errang der Vogelsbergkreis dabei bei der wissenschaftlichen Bewertung durch Ministerium und Regiestelle in Berlin jeweils den ersten Rang. Eine stolze Bilanz: Das Projekt hat seit Ende 2007 über 3500 Jugendliche im Vogelsbergkreis erreicht.
2007 wurde der Vogelsbergkreis als einer von 90 Projektträgern in das bundesweite Jugenddemokratieprogramm „Vielfalt tut gut“ des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend aufgenommen. Zielsetzungen des Programms sind die Entwicklung, Stärkung und Verfestigung der demokratischen Haltungen und Orientierungen von Kindern und Jugendlichen und deren aktive Beteiligung an der Entwicklung des Gemeinwesens in der Region. Mit dieser Stärkung des demokratischen Bewusstseins will die Bundesregierung eine Immunisierung gegen extremistische Einstellungen und ein aktives Auftreten gegen extremistische Gruppierungen erreichen, erläutert Silvia Lucas, im Jugendamt mit der Betreuung des Projekts beauftragt.
Der Vogelsbergkreis wurde als einer von drei hessischen Projektträgern unter elf Bewerbern zur Aufnahme in das Bundesprogramm ausgewählt. Wesentliche Gründe für diese Entscheidung waren die im lokalen Aktionsplan des Vogelsbergkreises dargestellte langjährige Tradition einer demokratischen und auf Teilhabe angelegten Jugendarbeit. „Insbesondere die umfassenden Beteiligungsrechte, die dem Vogelsberger Kinder- und Jugendparlament seit seinem Bestehen 1992 eingeräumt werden, waren für das Bundesministerium ausschlaggebend“, hebt Landrat Marx hervor. In die Bewertung eingeflossen seien auch die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten gegen das Auftreten rechtsextremistischer Gruppierungen in unserer Region.
Zur Umsetzung des Projektes wurde im Jahr 2007 beim Amt für Jugend-, Familie und Sport (Jugendförderung, Jugendbildungswerk) eine lokale Koordinierungsstelle Vielfalt eingerichtet. Gleichzeitig wurde ein Begleitausschuss und ein breites, von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen getragenes Netzwerk für das Projekt installiert. Auch hier wird dem Beteiligungsanspruch Jugendlicher in hohem Maß Rechnung getragen, unterstreicht die Soziologin Silvia Lucas. Von Oktober 2007 bis Ende 2009 wurden über „Vielfalt“ in 52 Einzelprojekten der unterschiedlichsten Träger weit mehr als 3500 Kinder, Jugendliche und Multiplikatoren erreicht. Die Summe, die das Bundesministerium zur Durchführung dieser Projekte zur Verfügung stellte betrug 275.000 Euro. Für das laufende Förderjahr wurden erneut 110.000 Euro bewilligt.
„Vielfalt“ ist nicht nur der Name des Projektes, vielfältig ist auch das Spektrum der geförderten Einzelprojektträger, der Themen und der Zielgruppen. Jugendinitiativen, Jugendverbände, Kirchen, Vereine, Verbände, Bürger- und Kulturinitiativen begleiten und unterstützen das Gesamtprojekt und führen Projekte durch. Beispielhaft nennt Landrat Marx in seiner Bilanz des Vielfalt-Projekts das Jugendrotkreuz Ortsverein Mücke mit seinem Toleranzprojekt für Kinder und Jugendliche, das evangelische Dekanat, das für viele örtliche Kleinprojekte die Patenschaft übernimmt und das Freiwilligenzentrum Alsfeld, das über „Vielfalt“ das ehrenamtliche Engagement insbesondere von Jugendlichen unterstützt.
Die effektive Steuerung und Umsetzung des Pro-Demokratie-Projekts durch die lokale Koordinierungsstelle, die gute Arbeit der Einzelprojekte im Kontext des Gesamtprojektes und die hervorragende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Netzwerkpartner im Rahmen des lokalen Aktionsplans haben „Vielfalt“ im Vogelsberg zu einem Erfolgsprojekt gemacht, das sich auch auf Bundesebene und in der Fachwelt hoher Anerkennung und Akzeptanz erfreut. „Nicht ohne Stolz nehme ich zur Kenntnis, dass wir sowohl 2008 als auch 2009 in der bundesweiten Vergleichsbewertung aller 90 Einzelprojekte durch die Regiestelle und das Bundesministerium jeweils den Spitzenplatz eingenommen haben“, freut sich der Landrat.
Ende 2010 läuft die finanzielle Förderung von „Vielfalt“ durch das Bundesministerium aus. Ob es Folgeprogramme gibt und wie diese aussehen, ist heute noch unklar. Im Sinne der Nachhaltigkeit des Projektes geht der Landrat bei aller gebotenen Finanzdisziplin davon aus, dass auch nach 2010 die demokratische und partizipative Kinder- und Jugendarbeit des Vogelsbergkreises fortgeführt wird, „die auch einen Imagegewinn für unsere Region darstellt“. Das demokratische Bewusstsein der Jugendlichen, deren kommunale und politische Handlungskompetenz und die Bereitschaft, sich an einer zukunftsorientierten Entwicklung des Gemeinwesens zu beteiligen solle weiter gestärkt werden.
Angesichts der Lage der kommunalen Finanzen werde das nicht durch die Schaffung von Personalstellen auf Stadt,- Gemeinde und Kreisebene zu realisieren sein, stellt Marx fest. Neue Konzepte für die Kinder- und Jugendarbeit unter Berücksichtigung interkommunaler Synergieeffekte müssten entwickelt werden. Auch hierbei hilft „Vielfalt“: Eines der Einzelprojekte 2010 befasst sich genau mit dieser Konzeptentwicklung für die Region. Das Ziel bleibe weiterhin, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und freien Trägern der Jugendarbeit den Vogelsbergkreis für Kinder und Jugendliche attraktiv zu gestalten und die Region auch für diese Altersgruppe lebenswert zu erhalten, unterstreicht Marx abschließend.