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Lernen mit Lust statt büffeln mit Frust…in der Förderschule für Lernhilfe in Hilders

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Hilders. „Der Mensch soll lernen. Nur die Ochsen büffeln“, hat der Schriftsteller Erich Kästner formuliert. Nach dem für seine Kinderbücher berühmten Autoren ist die Förderschule für Lernhilfe in Hilders benannt. 36 Jungen und Mädchen aus dem gesamten Ulstertal – mit Defiziten in den Bereichen Wahrnehmung, Sprache, Verhalten sowie Lern- und Leistungsfähigkeit – besuchen die drei jahrgangsübergreifenden Klassen der Einrichtung.

Das Lernen gestaltet sich laut Schulprogramm schülerorientiert – auf Grundlage eines Lehr- und Förderplans, der für jedes Kind individuell erstellt wird. In den Kernfächern Deutsch und Mathematik sorgt ein Kurssystem (anstelle des Klassenunterrichts) zusätzlich für individuelle Förderung. Die Lerngruppen in Deutsch entsprechen dabei nicht den Lerngruppen in Mathematik. So ist es zum Beispiel nicht selten der Fall, dass Grundstufenklässler in Deutsch und Mathematik mit Jugendlichen der Mittel- und Hauptstufe gemeinsam lernen.

„Wir holen die Schülerinnen und Schüler da ab, wo sie stehen“, erklärt Schulleiterin Barbara Burschel. Dies bezieht sich nicht nur auf den Leistungsstand, sondern auch auf die Auswahl von Unterrichtsthemen und -fragestellungen: Bei den Unterrichtswerken und Arbeitsmaterialien sowie dem Einsatz von Medien solle versucht werden, das Lebensgefühl, die Lebens- und Wertvorstellungen sowie die Fragestellungen und Betroffenheit der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen, stets im Hinblick auf Praxisorientierung für das spätere Leben. „Um einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen, werden ab Klasse 7 zwei Praktika pro Schuljahr angeboten“, fügt die Schulleiterin hinzu.

Ziel sei eine Rückschulung der Jugendlichen in die Hauptschule und der Aufbau eines tragfähigen Lern-, Leistungs- und Sozialverhaltens. Die Rückschulung ist in den vergangenen Jahren in allen Fällen gelungen, in denen die Schule diese empfohlen und begleitet hatte. Auch können die Jugendlichen nach dem 9. oder neuerdings seit dem 10. Schuljahr einen Förderschulabschluss erhalten. Barbara Burschel beklagt, dass es in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger geworden sei, Jugendliche mit Förderschulabschluss in Ausbildung zu bringen. Umso froher zeigt sie sich darüber, dass der Landkreis Fulda für zehn Stunden in der Woche für die Kästner-Schüler ab der 7. Klasse einen Arbeitscoach stellt.

Für die bessere Verzahnung der pädagogischen Arbeit von allgemeinen Schulen und Förderschulen gibt es in Hessen 119 Beratungs- und Förderzentren (BFZ). Seit dem Schuljahr 2008/09 wird zwar das Einzugsgebiet der Erich-Kästner-Schule mit sechs Wochenstunden durch das BFZ der Förderschule in Hünfeld betreut. „Dadurch ist uns leider der Kontakt zu den hiesigen Schulen etwas verloren gegangen“, bedauert Barbara Burschel.

Deshalb hatte die Erich-Kästner-Schule ein eigenständiges Beratungs- und Förderzentrum (BFZ) beantragt und in der jüngsten Kreisausschusssitzung auch genehmigt bekommen. Auch die Anne-Frank-Schule in Gersfeld und die Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Großenlüder (mit der die Erich-Kästner-Schule kooperiert) werden solche regionalen Beratungs- und Förderzentren einrichten. Bauliche Maßnahmen plant die Kästner-Schule dafür nicht, einzig die personellen Ressourcen müssten aufgestockt werden.

Die Sonderpädagogik sei, so die Schulleiterin, im Wandel begriffen, in dem die Einrichtung von BFZ bloß einen Anfang markierten: Künftig sollen laut Hessischem Schulgesetz – je nach Elternentscheidung – zunehmend mehr Kinder mit erhöhtem Förderbedarf an den Regelschulen verbleiben können und dort in ihrem Lebensumfeld stabilisiert werden.

Mit ausgeprägter Elternarbeit kann die Erich-Kästner-Schule bereits jetzt aufwarten. Nicht nur für das Thema Hausaufgaben ist eine einvernehmliche Lösung mit dem Ziel, das selbständige Arbeiten der Kinder zu fördern, gefunden worden. Auch einen regen Förderverein gebe es oder das Projekt „Lesemama“, in welchem Mütter oder Omas einmal wöchentlich verbindlich Kindern der Grundstufe vorlesen und das Gelesene reflektieren.

„Wir sind eine familiäre Schule“, unterstreicht Barbara Burschel. Tatsächlich sitzt draußen auf einer Bank die Frau von Hausmeister Giuducci und schneidet für die radelnden und Roller fahrenden Kinder Obst, das wöchentlich von der Fuldaer Tafel gespendet wird. Sie kennt jedes Kind mit Namen, da sie auch für die Betreuung im Rahmen des Konzepts „Verlässliche Schule“ zuständig ist. Mit dem Obstangebot erfüllt die Schule ein Kriterium für das Zertifikat „Gesunde Ernährung“, das die Schule anstrebt.

Dafür wurde auch die Möglichkeit geschaffen, in einer Pause am Tag gemütlich gemeinsam zu frühstücken. Die Schüler der Hauptschule haben in ihrem Differenzierungsraum, der eigentlich der Lehrkraft eine Teilung der Klasse in Gruppen ermöglichen soll, eine Küche eingerichtet. Donnerstags kochen im Arbeitslehrebereich „Hauswirtschaft“ die SchülerInnen für die ganze Schulgemeinde ein warmes Mittagessen.

Mit dem Teilzertifikat „Gesunde Ernährung“ soll erreicht werden, dass die SchülerInnen gesunde Ernährungsweise am Lebens-, Lern- und Arbeitsplatz Schule erfahren. Auch das Zertifikat bewegungsfördernde Schule strebt die Erich-Kästner-Schule an. „Spielende Schule“ darf sie sich nennen, nachdem das vierköpfige Lehrerkollegium 2009 ein überzeugendes Spielekonzept bei der Initiative „Mehr Zeit für Kinder“ eingereicht und die Ausstattung eines Spielezimmers gewonnen hat.

Zu Grunde liegt die Theorie, dass beim Spielen gelernt wird und den Kindern wichtige Erfahrungen im motorischen, sozialen und psychischen Bereich vermittelt werden.“ Für die Zertifizierung als gesunde Schule arbeitet die Schulgemeinde am Teilzertifikat bewegungsfördernde Schule. Der Großteil der Spiele befindet sich im neuen Psychomotorikraum der Schule, wo in der Zeit der Betreuung (die Schule möchte zum kommenden Schuljahr Ganztagsschule werden) gespielt werden kann.

Direkt vor dem Klassenraum der Unterstufe entsteht ein Spielplatz. Ein Spielgerät hat der Förderverein finanziert, für die anderen kommt der Landkreis Fulda auf. Mit diesem Angebot kann eine Lehrkraft, wenn bei den Jüngsten die Konzentration nachlässt, spontan eine kurze Pause zum Austoben einlegen, um anschließend mit aufnahmefähigeren Kindern weiterzuarbeiten.

Alles in allem vermittelt die Erich-Kästner-Schule den Eindruck, dass hier alles getan wird, um die Kinder, die in ihren Chancen benachteiligt sind,  bestmöglich zu fördern und zu integrieren. Nicht die Schwächen, sondern die Stärken der Kinder stehen im Mittelpunkt. Um noch einmal Kästner zu zitieren: „Auch mit Steinen, die man dir in den Weg legt, kannst du etwas Schönes bauen.“

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