Fulda. „Angesichts der verwirrenden und viele überfordernden Informationsflut unserer Tage ist es notwendig, besonders jungen Menschen im Sinne einer vernünftigen Glaubensreflexion eine Grundorientierung zu geben für die sinnvolle, erfüllende und der Wahrheit verpflichtete Gestaltung und Bewältigung ihres Lebens.“ Das hob der Großkanzler der Theologischen Fakultät Fulda, Bischof Heinz Josef Algermissen, am Donnerstag zum Abschluß der traditionellen Hrabanus-Maurus-Akademie, des Patronatsfestes der Fakultät, hervor.
Der Oberhirte machte in seinem Schlußwort im Auditorium maximum deutlich, daß die Kirche als grundlegende Orientierung die Ausrichtung auf die Mitte des Glaubens, den lebendigen Gott, und Maßstäbe sittlichen Handelns anbiete. Ulrike Wick-Alda (Fulda) wurde als erster Frau von der Theologischen Fakultät der theologische Doktorgrad verliehen. Sie hielt auch den akademischen Festvortrag über den heiligen Philipp Neri (1515-1595).
Bischof Algermissen erinnerte an den hl. Hrabanus Maurus, den großen Theologen und Fuldaer Abt im 9. Jahrhundert, der seine Studien grundsätzlich in den Dienst der Kirche gestellt habe, weil er davon überzeugt war, daß die Theologie von einem kirchlichen Charakter geprägt sein müsse. Ausbildung und Bildung seien auch heute lebenswichtige Felder kirchlicher Tätigkeit und gehörten seit jeher zum Auftrag der Kirche.
Gerade die kirchlichen Fakultäten dienten der Ausbildung des künftigen Klerus und von jungen Frauen und Männern, die einen kirchlichen Beruf anstrebten. „Es braucht für die kirchlichen Berufe in unserem Land eigenständige kirchliche Einrichtungen, in denen die besonderen Belange des kirchlichen Berufes berücksichtigt werden können“, unterstrich der Oberhirte. „Ausbildung und Bildung an einer Theologischen Fakultät dürfen durchaus als missionarisches Zeichen in Richtung unserer gesellschaftlichen Öffentlichkeit verstanden werden.“
Festvortrag über geistliche Unterscheidung beim hl. Philipp Neri
Bischof Algermissen dankte Dr. Wick-Alda für die Darlegung des vom hl. Philipp geprägten theologisch-geistlichen Weges. Ihr Vortrag sei „ein tiefer geistlicher Impuls und hilfreich in einer diffusen Welt“, in der sich Indifferenz und ethische Gleichgültigkeit breitmachten. Zu Beginn der Festakademie hatte Rektor Monsignore Prof. Dr. Christoph Gregor Müller den Bischof sowie die Weihbischöfe Prof. Dr. Karlheinz Diez und Johannes Kapp, die anwesenden Domkapitulare und Professoren der Theologischen Fakultät und zahlreiche weitere Gäste aus Kirche und Gesellschaft, darunter den scheidenden Leiter des Kommissariates der Katholischen Bischöfe in Wiesbaden, Dr. Guido Amend, begrüßt.
„Dies ist eine besondere Stunde, denn zum erstenmal wird an unserer Theologischen Fakultät eine Frau promoviert, und zwar mit einer spiritualitätstheologischen Arbeit, die bei Weihbischof Prof. Diez entstanden ist“, so der Rektor. Bereits in seiner Predigt in der vorausgehenden Eucharistiefeier hatte Müller auf den hl. Philipp verwiesen, der als „Mystiker im Narrenkleid“ und „Prophet der Freude“ Menschen so zusammenführen konnte, daß sie auf Christus stießen. Diese Freude lasse sich auch in Leben und Werk des Patrons der Fakultät Hrabanus nachweisen.
In ihrem Festvortrag ging Dr. Wick-Alda, der im Anschluß die Promotionsurkunde für ihre bei Weihbischof Diez entstandene Dissertation „Vom Weg zum reinen Herzen“ verliehen wurde, auf „Geistliche Unterscheidung in den Briefen und Maximen des Philipp Neri“ ein. Sie arbeitete dabei heraus, daß der zur Zeit der katholischen Reform in Rom lebende spätere Heilige die geistliche Erneuerung entscheidend durch bestimmte Akzente der Seelsorge mitprägte, „indem er z. B. die Hl. Schrift neu in den Mittelpunkt stellte, hierüber in einfacher, familiärer Weise sprach und die geistliche Begleitung und Beichtgespräche als Form der Einzelseelsorge nutzte“.
Sein Ziel war es laut Wick-Alda, der Gottesbeziehung der Menschen in ihren unterschiedlichen Berufen und Aufgaben zu dienen, ihre Charismen zu entfalten und mit ihnen ihren Auftrag im Leben von Gott her zu entdecken. Geistliche Unterscheidung meine in diesem Sinne, die rechten Mittel und Wege für das ein tieferes Leben mit Gott zu finden. In der christlichen Tradition bedeute geistliche Unterscheidung die Fähigkeit zu erkennen, in welcher Absicht eine Entscheidung verlaufe und ob sie zu Gott führe. Das „Charisma der Unterscheidung der Geister“ sei eine Gnadengabe, die auch der Lehre und der Übung bedürfe, unterstrich die Referentin. Als Hilfestellungen gab Philipp kleine Gebetstexte für das Gebet im Alltag und geistliche Merksätze, die sogenannten Maximen, mit auf den Weg.
Das Wissen um die rechte Unterscheidung in geistlichen Dingen sei seit den Anfängen der Kirche über das Wüstenmönchtum und Johannes Cassian im Westen tradiert worden. Auch Philipp Neri habe als geistlicher Vater und Beichtvater seine Schüler solches gelehrt. Die Orientierung an Jesus Christus, das Vertrauen auf Gott, die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst und die innere Loslösung von ungeordneten Neigungen sowie die Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche unterstützten den geistlichen Weg.
Aus seinem Schülerkreis entstand die Kongregation des Oratoriums. „Wie die meisten zeitgenössischen Bewegungen der katholischen Reform verfolgte auch das Oratorium Philipp Neris ein dreifaches Ziel: die Heiligung der Mitglieder durch ein intensives religiöses Leben und einen dem Evangelium gemäßen einfachen Lebensstil in Verbindung mit der Sorge um das Heil des Nächsten durch pastorales und caritatives Wirken“, so die Referentin. Der hl. Philipp verstand es in Auseinandersetzung mit den geistesgeschichtlichen Strömungen seiner Zeit, Wissenschaft, Kunst und Musik zu fördern und in den Dienst geistlichen Wachstums zu stellen.
„Die Freude an der Entfaltung und Förderung der einzelnen Charismen bleibt Grundzug seiner Spiritualität“, betonte Dr. Wick-Alda. Das geistliche Leben als Leben mit Gott sei auf Wachstum in der Gottes- und Selbsterkenntnis angelegt und wolle ein Leben lang geübt sein. Die Aktualität des Ansatzes Philipp Neris entspringe aus der Kombination von eigenem geistlichen Leben mit dem Rückgriff auf die bewährten Werte der christlichen Tradition, um sie für die heutige Zeit fruchtbar werden zu lassen, nicht nur in der Einzelbegleitung, sondern auch in Forschung und Lehre, zeigte sich Dr. Wick-Alda überzeugt.
Die Akademieveranstaltung wurde musikalisch umrahmt durch ein Instrumentalensemble mit Stücken von Jean-Baptiste LÅ“illet und Georg Friedrich Händel. (bpf)