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Großes Deutschlandtreffen der ehemaligen Konviktoristen in Fulda

100126_Konviktoristen1Fulda (bpf). Am Ende des Jahres 2009 trafen sich im Fuldaer Bonifatiushaus über 130 Absolventen des 1985 aufgelösten Bischöflichen Konvikts zu Fulda. Zu den renommiertesten Absolventen zählen die Weihbischöfe Johannes Kapp und Karlheinz Diez sowie Prälat Rudolf Hofmann. Zur ersten Begegnung seit dem Ende der denkwürdigen Institution erschienen Konviktoristen aus ganz Deutschland, um nach vielen Jahrzehnten Rückschau auf die prägende Jugendzeit im Bischöflichen Konvikt zu halten. „Zurück zu den Quellen!“ – so erging der Ruf im Sommer 2009 an die in aller Welt verstreuten Ehemaligen.

„Es war dies kein übliches Jahrgangstreffen von früheren Schülern, wie es sicher jeder schon einmal erlebte, sondern ein Wiedersehen einer Gemeinschaft, die für mehrere Jahre zusammenlebte gleich einer großen Familie“, betont der ehemalige Konviktorist Hermann Heim (Freigericht), Autor des im Vorfeld des Treffens entstandenen Buches „Das Bischöfliche Konvikt zu Fulda“, in welchem er das Alltagsleben der 1985 letztlich aus finanziellen Gründen geschlossenen Institution beschreibt.

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Weltoffene, frohe Menschen zu erziehen in christlicher Geisteshaltung und liberaler Atmosphäre war nach einhelligem Zeugnis ehemaliger Absolventen das Anliegen der charismatischen Erzieher seit den Nachkriegszeiten: „aufwachsen in Gemeinschaft in gleichzeitiger Verantwortung für das eigene und das gemeinsame Wohl“, wie es ein Konviktorist in einem Grußwort formulierte. Weit spannte sich daher auch der Erlebnisbogen: Internatsschüler aus den Jahren 1940 bis 1980, drei Generationen, Kriegs- und Nachkriegsschüler bis zu heutigen Zeitgenossen der Informationsgesellschaft, eine große Familie von über 130 Mitgliedern hielt im Bonifatiushaus einen „Conventus“ im lateinischen Sinne ab. Der Geist des ehemaligen Konvikts war sogleich greifbar, als beim ersten Wiedersehen, zum Teil nach 40, 50 Jahren, sich bewegende Szenen abspielten: „Bist Du es? – Mein Gott, diese Stimme erkenne ich!“ Aus allen Himmelsrichtungen waren sie gekommen: beispielsweise von der Insel Rügen, aus dem Allgäu, aus Olpe oder Magdeburg. „Nur den Henning-Brüdern, Missionaren in Brasilien, war der Weg verständlicherweise zu weit“, teilt Heim mit. Im Eingangsfoyer des Hauses prangten große Tafeln mit „Konviktspost“, eine Deutschlandkarte mit Fähnchen der Herkunftsorte, und als besonders gelungene Überraschung: ein echtes Modell der ehemaligen Gebäudeanlage in der Schulstraße/Nonnengasse (heute Kaufhaus C&A), entworfen von Heim und gestaltet von H. Müller aus Eichenzell.

„In Gedanken sah man sich die Eingangspforte passieren, die Kumpels mit lauten Hallo nach den jeweiligen Ferien wieder begrüßen, die Leitung Pius Burkardt, die jeweiligen Assistenten, Konviktsschwestern und besonders die treue Seele, Fräulein Käthe Pappert, die über 50 Jahre lang den Pfortendienst versah. Man sah sich im Schlafsaal, Speisesaal, Studiersaal, Theatersaal wieder, versank in die Zeiten vergangener Jugend.“ So resümiert Buchautor Heim die Stimmung der Veranstaltung. Eine solch konkrete Erinnerungskultur stärke Herz und Menschsein und sei nicht zuletzt ein Tribut an damalige Erzieher und auch an jene prägende Behausung Konvikt, wie er hervorhebt. Ein regelrechtes „Konviktsfluidum“ macht Heim bei dem Treffen aus, als Weihbischof Johannes Kapp, ehemals Konviktorist, später Assistent und geistiger Promotor des Internates, seine „Gemeinde“ begrüßte. „Sein Blick in die Runde erwartungsvoller Confratres, sein Rückblick in gemeinsame Schülerzeiten, sein Ausblick auf die Verwirklichung engagierten Christentums in der Gegenwart schlugen alle in Bann.“

Der folgende Tag führte die Gemeinschaft noch einmal zu den Stationen Fuldaer Konviktoristenlebens: Dom, Priesterseminar, Frauenberg und Stadtschloß. „Durch die wertvolle und für Hessen einzigartige Universitätsbibliothek gelangte man in den Sitzungssaal der Deutschen Bischofskonferenz. Hier nahm man Platz, und es entwickelte sich sofort eine lebendige Debatte zu den aktuellen Problemfeldern christlichen Glaubenslebens“, betont Heim. Moderiert von Weihbischof Kapp, ging es um die zu beklagende Kirchenferne der Gegenwart, die Situation in Ostdeutschland, den Paragraphen 218, die Ökumene. „Dem folgte ein besinnlicher und für manche schmerzlicher Gang zu den besonderen Gräbern des Frauenberges, zu Pius Burkardt, dem großen charismatischen Erzieher, zu den Gräbern der beim Bombeninferno am 11. September 1944 getöteten Konviktoristen mit ihrem damaligen Direktor Karl Hofmann. Das Ungeheure des Kriegsdramas wurde plötzlich wieder aktuell, als miterlebende Konviktoristen das Wunder ihrer Rettung erzählten und ebenso die Trauer über ihre Freunde, mit denen sie noch kurz zuvor Fußball gespielt hatten. 24 hoffnungsvolle Schüler wurden mit ihrem Direktor Opfer einer sinnlosen Tat, da die Alliierten auf einem Rückflug ihre Bombenlast einfach so loswerden wollten.“ Der Oberbürgermeister von Fulda, Gerhard Möller, ein Klassenkamerad vieler Konviktoristen, begrüßte die Exkursanten im Grünen Saal des Stadtschlosses. In einer fundierten Rede erläuterte er die Prosperität Fuldas als Zentrum Osthessens in wirtschaftlicher und auch bildungspolitischer Hinsicht.

Der Nachmittag schloß mit einem großen Dankamt. Weihbischof Johannes Kapp knüpfte in seiner Predigt an sein Lebensmotto an, das auch sein bischöfliches Wirken begleitete: „Gaudium domini fortitudo nostra – Die Freude am Herrn ist unsere Stärke“. Gottes Wort sei lebendig und zeitlos gültig und immer aktuell. Das gelte auch dann, wenn es gerade nicht so scheine, als seien die Zukunftschancen besonders groß, so wie es den Israeliten bei ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft erging. Die Propheten betonten damals: „Seid nicht traurig, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Mit dem eigenen Glauben stehe der Christ in Zeit und Welt, einem Glauben, der oft angefochten, manchmal belächelt oder auch verspottet und bekämpft werde.

Am zweiten Erinnerungsabend bot sich nochmals die Gelegenheit zum Eintauchen in die Lebenswelt der Gemeinschaft. In einem Redebeitrag berichtete Johannes Seidel von seinem „Alpha-Projekt“ aus der Erwachsenen-Pastoral. Erneut tauschte man Erinnerungen und Persönliches aus. Der Abend bekam seine akademische Note durch die alte Burschenschafts-Hymne „Gaudeamus igitur“. Neue Bilder des Alten Konvikts erschienen auf der Großleinwand und gaben Anstoß zum Gespräch. „Beim Abschied am nächsten morgen gab es wieder bewegende Szenen, da sich viele Freunde ins Ungewisse verabschiedeten. Doch die Freude aus gestärktem Herzen überwog, hatte man doch verschollen geglaubte Weggenossen wiedergefunden, den ‚Spirit’ des ehemaligen Internates wieder geahnt, den Geist aufrechter, engagierter Christen gespürt, das ‚Gaude Fulda!’ bezeugt und nochmals mit Leben erfüllt“, hält Heim fest.

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