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WITZ MIT HINTERGRUND oder DAS DEKORATIVE UND DIE KUNST Die Gruppenausstellung „Schmücke Dein Heim“

091104_Galerie_007Kleinsassen. „Was würden Sie tun, wenn Sie der letzte Mensch auf der Welt wären?“ Mit dieser Meditationsaufgabe forderte der Coburger Kunstwissenschaftler Dr. Hans-Jürgen Fliedner in seinem leidenschaftlichen Vortrag die Besucher der Vernissage auf, sich die Fragen zu stellen, welchen Platz Kunst in ihrem Leben einnimmt. „Angenommen Sie stellen in 60% ihrer Zeit Ihre Versorgung und die täglichen Bedürfnisse sicher, was machen Sie mit den anderen 40%?“

Fliedners Annahme: „Sie machen Kunst.“ Mit anderen Worten: Der Mensch beginnt unter bestimmten Umständen ganz von selbst damit seine kreativen Potentiale zu entwickeln. Und die Ergebnisse solchen Tuns sind nicht zweckgebunden, erfüllen keinen unmittelbaren Nutzen und tragen nicht zur Erhaltung de physischen Existenz bei. Dennoch sind sie wichtig. Denn Kunst – zugespitzt formuliert – rettet vor dem Verblöden. Sie ist geistige Nahrung und zwar genau deswegen, weil sie sich nicht darauf beschränkt, dekorativ zu sein.

Was passiert aber – umgekehrt gefragt – mit den Menschen, die sich nur mit Dekorativem umgeben, die das Provokante, das Zweifelnde, das Hinterfragende, kurz das Ringen um Antworten auf grundlegende Fragen vermeiden? Wie wirkt es sich aus, wenn die Kunst aus dem Leben ausgeklammert wird? Mit diesen und anderen Fragen zum Thema „Schmücke Dein Heim“ setzen sich derzeit in der Kunststation sechs Künstler aus Thüringen, Bayern und Hessen auseinander und man muss sagen, dass diese Auseinandersetzung nicht nur sehr spannend geraten ist, sondern mitunter auch sehr witzig daherkommt.

Während Gudrun Dittmar aus Aschenhausen/Thüringen in ihren an Werbeplakate erinnernden Acrylbildern das Hausfrauen-Klischee der 50er Jahre ironisch wieder aufleben lässt, macht Uwe Harreck aus Weimarschmieden/Bayern das Ornament, das Florale, das Dekorative gleich selbst zum Thema. In seinen Bildern führt es ein Eigenleben, das es über den Zweck des Schmucks hinausgeht.

Anders Mia Hochrein aus Münnerstadt/Bayern. Wenn sie handelsübliche Campingzelte in kitschige Berglandschaften montiert oder einem Gamshorn einen gehäkelten Überzieher aufsetzt, dann zeigt die so genannte „heile Welt“ ihre ganze Armseligkeit. Eine ähnliche Haltung zur „Idylle“ hat auch der Bildhauer Jan Polacek. Nur sind seine Lösungen anders, wie man deutlich z.B. an den „Himmelsschweinen“ sieht, Holzskulpturen von Schweineköpfen, die makaber auf Rohre gespießt eine Dreiergruppe bilden oder an ästhetischen Kugelskulpturen, die er aus Haushaltsmüll geformt hat.

Mit gänzlich ganz anderem Blick wendet sich die Malerin Jana Schwarz aus Langenbieber/ Hessen dem Phänomen zu. In ihren Bildern geht es um die Einsamkeit, die Zerrissenheit und um die mangelnde Geborgenheit in dem, was man gemeinhin „zu Hause“ nennt. Im Gegensatz dazu stehen bei Stephan Winkler aus Fladungen/Bayern seltsame Dinge und dekorative Versatzstücke in angedeuteten Räumen; ohne Logik platziert, manche sogar schwebend. Das Heim wird so bei ihm zu einer unsicheren Basis, einem doppeldeutigen und einem doppelbödigen Raum.

Alle  sechs Künstler und Künstlerinnen leben und arbeiten in der Rhön, der Grenzregion der drei Bundesländer und haben sich eigens für dieses Ausstellungsprojekt zusammengefunden, das noch bis zum 17. Januar in der Kunststation zu sehen ist.

Fotos: Marianne Blum

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