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Gertrud Sahler: Rhön hat führende Rolle unter den 15 deutschen von der UNESCO anerkannten Biosphärenreservaten

090918_marzena11Rhön. Die Vorsitzende des deutschen Nationalkomitees für das UNESCO-Programm „Der Mensch und die Biosphäre“, Gertrud Sahler, äußerte sich jetzt in einem Interview mit dem Freien Journalistenbüro der Rhön unter anderem zur Rolle der Rhön unter den deutschen Biosphärenreservaten, ihrer weltweiten Ausstrahlung, zur geplanten Bundesstraße 87n und zum bestehenden Kernzonendefizit. Das MAB-Nationalkomitee ist das Gremium, das im Jahr 2013 die nächste Evaluierung, also die Überprüfung der festgeschriebenen Kriterien, für das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön durchführen wird.

Frau Sahler, welchen Stellenwert nimmt die Rhön aus Ihrer Sicht unter den aktuell 15 deutschen von der UNESCO anerkannten Biosphärenreservaten ein?

Gertrud Sahler: Die Rhön zählt zu einer großen Zahl von Biosphärenreservaten, die so genannte Altgebiete sind. Das bedeutet, ihre Anerkennung ist noch vor Verabschiedung der so genannten Sevilla-Strategie und vor der Verabschiedung der nationalen Kriterien für Biosphärenreservate geschehen. Trotzdem ist die Rhön führend, was die Erfüllung der drei Funktionen Schutz, nachhaltige Nutzung sowie Bildung und Forschung betrifft. Es gibt in der Rhön sehr gute Ansätze einer nachhaltigen Regionalentwicklung. Das habe ich selbst im Frühsommer dieses Jahres erleben können, als ich die Leiterin eines kanadischen Biosphärenreservats auf ihrer Reise durch die thüringische Rhön begleitet habe. Die Rhön spielt unter den deutschen UNESCO-Biosphärenreservaten ganz klar im vorderen Teil mit.

Welche internationale Bedeutung hat das Biosphärenreservat Rhön heute?

Gertrud Sahler: Wenn die Verantwortlichen des UNESCO-Biosphärenreservats Georgian Bay der Meinung sind, von der Rhön lernen zu wollen und zu können, dann ist das ein Beweis dafür, dass die Rhöner stolz auf das sein können, was sie bis jetzt schon geleistet haben. Die Kanadier sehen vor allem in punkto Vermarktung regionaler Produkte auf die Rhön. Oder nehmen wir die im letzten Jahr geschlossene Partnerschaft zwischen dem bayerischen Teil des Biosphärenreservats Rhön und dem südafrikanischen Biosphärenreservat Krueger to Canyons. Hier gibt es viele gemeinsame Anknüpfungspunkte, und das spricht für die Rhön als Vorbildregion.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Diskussion, der UNESCO-Titel könnte der Rhön aberkannt werden, falls sie das nationale Kriterium von drei Prozent Kernzonenfläche bis 2013 nicht erfüllt?

Gertrud Sahler: Von den geforderten drei Prozent Kernzonenanteil ist die Rhön noch etwas entfernt. Dieses Problem brennt aber, weil sich der bayerische Teil um fast das Doppelte erweitern will und das mit einem kompletten Neuantrag an die UNESCO verbunden ist. Das bedeutet: dann müssen alle Kriterien stimmen. Es wird in der Tat beim MAB-Nationalkomitee sehr schlecht ankommen, wenn das Kernzonendefizit bis zur Evaluierung 2013 nicht gelöst ist. Zumindest muss bis dahin deutlich erkennbar sein, dass man sich in dieser Frage bemüht. Sollten die drei Prozent noch nicht ganz erfüllt sein, ist es nicht ausgeschlossen, dass eventuell noch einmal eine Übergangsfrist gesetzt wird. Innerhalb dieser Frist muss das Ergebnis aber eindeutig sein; eine weitere Verlängerung wird es definitiv nicht geben. Ich selbst bin aber zuversichtlich, dass die drei Prozent Prozessschutzfläche bis zur Evaluierung gesichert sind.

Wer muss nach Ihrer Meinung dafür sorgen, dass die drei Prozent Kernzonenanteil zusammen kommen? Kann das die Region alleine leisten oder muss es nicht auch auf politischer Ebene eine Lösung geben?

Gertrud Sahler: Das muss auf beiden Ebenen entschieden werden. Allerdings kann eine Region nicht immer nur auf das jeweilige Land schielen, denn schließlich ist es die Region selbst, die vom Prädikat UNESCO-Biosphärenreservat profitiert. Daher muss man erwarten können, dass die beteiligten Kommunen einen Teil der Flächen einbringen. Auf der anderen Seite muss diese Frage natürlich auch politisch in den Ländern gelöst werden. Ohne entsprechende Flächen vom Landesforst wird es nicht gehen.

Reicht es aus, Flächen von zehn oder 20 Hektar als Kernzonen auszuweisen oder können solche eher kleinen Gebiete der Funktion einer Prozessschutzfläche gar nicht gerecht werden?

Gertrud Sahler: Aus naturschutzfachlicher Sicht sind große Kernzonen immer besser als zu kleine, weil sich die Randeinflüsse dann nicht so bemerkbar machen. Es gibt aber Biosphärenreservate, in denen es einige wenige um die 20 Hektar große Kernzonen gibt. Aber das sind dann meist Flächen, die von der Topografie her ohnehin sehr beruhigt sind. Man muss also immer die jeweilige Lage solcher Gebiete und die vorhandenen Einflüsse betrachten.

Viele Menschen in der Rhön sind der Ansicht, dass der UNESCO-Titel aufgrund des Kernzonendefizits nicht aberkannt werden darf, wenn im Gegenzug der Bau einer neuen Bundesstraße – der B 87 n – mitten durch das Biosphärenreservat keine Gefahr für diesen Titel darstellt. Was sagen Sie zu diesem Argument?

Gertrud Sahler: Das kann man so überhaupt nicht sehen. Die B 87n ist ein ganzes Stück weit ein Ortsumgehungsprogramm mit einem dreispurigen Ausbau bei den Steigungen. Eine Straße oder wie der vorgesehene Bau einer 380-KV-Stromtrasse durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin sind meiner Meinung nach kein Grund, die guten Ansätze einer Region zu den Akten zu legen. Ich habe aber schon vor einiger Zeit dem Fuldaer Landrat Bernd Woide zu verstehen gegeben, dass für die B 87n eine Mautpflicht kommen muss, weil sonst wirklich die Gefahr besteht, den Lkw-Verkehr heran zu ziehen. Dann wäre diese Straße für die hier lebenden Menschen in der Tat kein Zugewinn.

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